vorhin was von gesagt?» Er nickte, behielt den Blickkontakt aufrecht, achtete darauf, nicht zu blinzeln. Mehrere Sekunden musterte sie ihn scharf. Dann schüttelte sie den Kopf. «Ich hab’s registriert», sagte sie. «Hier ist’s zu laut zum Denken. Ich weiß es jetzt, und du weißt, daß du’s mir gesagt hast. Vielleicht können wir später noch mal darauf zurückkommen, okay? Wenn wir irgendwo sind, wo’s etwas ruhiger ist?» «Ja. Ganz wie du willst.» Sie griff nach seiner Hand und zog sie auf ihren Schoß. Sam starrte auf sie hinab, auf ihre und seine Hand auf dem hellblauen Baumwollstoff ihres Rockes. Zwei Hände aus verschiedenen Welten. Die Schöne und der Freak. Leute legten Kleidungsstücke ab und kippten sich Flüssigkeiten von der Theke in den Rachen, um die Flüssigkeit zu ersetzen, die sie durch die Poren ausschwitzten. Das Make-up der Mädchen und Frauen löste sich in Wohlgefallen auf. Von Zeit zu Zeit warf Sam Jeanie einen Seitenblick zu, und mit fortschreitendem Abend glänzte ihr Gesicht ein wenig mehr. Aber sie behielt ihr cooles Äußeres. Janet war schweißgebadet und fächelte sich mit ihrem Bierdeckel frische Luft zu. Der Raum erinnerte mehr an eine Sauna als an einen Konzertsaal. Etwa in der Mitte von Sweet Willys Programm schwammen die Leute förmlich im eigenen Saft, und das Mädchen, das die leeren Gläser einsammelte, trug eine durchscheinende schwarze Spitzenbluse, die so gerade eben ihre kurzen Shorts bedeckte. Wie ein seltener dunkler Flamingo bahnte sie sich auf ihren langen Beinen einen Weg durch die dicht gedrängten Leiber des Publikums. Sweet Willy war fast genauso süß wie seine Schottische Witwe. Gegen Ende des ersten Programmteils preschte er vor, wenn auch nur für einen Augenblick. Andererseits war er mehr als doppelt so alt, unbehaart, mit diesem leichten Graustich in seiner schwarzen Haut, der mit fortgeschrittenem Alter kommt. Sein Gesicht war vollkommen rund, und sein Bottleneckspiel ging einem in Mark und Bein. In der Pause gingjeanie zur Toilette, und Sam sah, wie sie die Plakate neben der Tür las. «Ziemlich radikaler Schuppen, in den du mich hier geschleift hast», meinte sie, als sie zu ihm zurückkehrte. Sam betrachtete die Gesichter in ihrer Nähe und lachte leise. «Ja», sagte er. «Ein Radikaler ist jemand, der mit beiden Beinen fest in der Luft steht.» Im Whip herrschte ein ganz eigener, unwiderstehlicher Zauber, ohne daß jemand genau wußte, worin der lag. Sweet Willy Johnson sang «Goodnight Irene», brachte der Dame ein Ständchen mit einer Leidenschaft, die sein Alter Lügen strafte, und im Parkett sang ein junger Schluckspecht mit feisten Wangen mit. Der Betrunkene sang lauter als Willy, aber der alte Johnson machte unverzagt weiter. Er saugte diese schwül-heiße Atmosphäre auf und atmete sie ins Herz seines Publikums wieder aus. Er war schon an heißeren Orten gewesen. Und wenn sein Leben vorbei war, dann würde er — daran bestand gar kein Zweifel - an einen noch heißeren Ort gehen.
KAPITEL ZWÖLF
I n dem großen Raum im Keller ließen sie den Kindern freien Lauf. Mama hatte Luftballons an eine Kordel unter der Decke gehängt, und auf dem Tisch standen alle möglichen Leckereien und Sachen, die man einfach mit den Fingern essen konnte. Phantasievolle Kostüme hingen an einer Stange neben dem Eingang, und aus den Boxen plärrte eine Mischung aus Boyzone und Technohead. Während der ersten Stunde war Doc der einzige Erwachsene. Er trug sein Zaubererkostüm mit dem spitzen Hut und dem langen schwarzen Mantel, und er verteilte bunte Kokslinien gegen Küßchen und ein bißchen Fummeln. Doc sorgte immer dafür, daß alle richtig in Stimmung kamen. Er machte seine Sache gut, und es machte ihm großen Spaß. Die Kids waren total relaxed und schwebten auf Wolke Sieben, wenn Mama und Franco zur Party erschienen. Verkleidet als aufgekratzte Sportlehrerin kam zuerst Mama. Sie trug eine weiße, spitze Mütze, ein weißes T-Shirt ohne BH und schließlich Shorts, die, wären sie noch kürzer gewesen, verschwunden wären. Sie organisierte die Spiele. Zuerst Küß mich, ich bin der Briefträger. Nach einer Portion Acid-Eiscreme folgte dann der Wer hat den knackigsten Po-Wettbewerb, bei dem der Doc als Sieger hervorging. Mama kostete selbst von der Eiscreme und handelte sich damit einen mißbilligenden Blick von Doc ein, aber, «Scheiß drauf», sagte sie. «Man geht schließlich nicht jeden Tag auf’ne Party.» Alles in