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Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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Juniper wehrte sich nicht. Sie schaute ihm einfach nur zu.
    Er zog den Mantel aus, und darunter war er gar nicht nackt. Er trug ein schwarzes Plastiksuspensorium. Um die Taille hatte er einen Gürtel mit einem fünfundzwanzig Zentimeter langen Filetiermesser in einer ledernen Scheide.
    Er sah sich flüchtig im Spiegel, und als er sich zu dem Kind umdrehte, spielte ein verächtliches Lächeln um seine Lippen. «Bei mir wird’s dir gutgehen», sagte er. «Ich war selbst mal Waisenkind.»
     

KAPITEL DREIZEHN
     
    A ls er das dritte Mal auf die Uhr sah, war es immer noch erst drei Uhr achtunddreißig. Pechschwarze Finsternis. Die Schottische Witwe war ihm die ganze Nacht nicht aus dem Kopf gegangen. Er würde nicht mehr einschlafen. Genausogut könnte er jetzt aufstehen und Spazierengehen. Warum nicht? Genau dieselben Straßen war er bereits millionenmal zuvor gegangen. Vielleicht hatte Barney Lust auf einen nächtlichen Spaziergang?
    Barney beäugte ihn träge aus seinem Korb und rührte sich erst, als Sam die Tür geöffnet und ihm zugenickt hatte. Seit er sich die Nase zerschlagen hatte, sah der Hund traurig aus, aber in einer geschmeidigen Bewegung stand er auf, schüttelte sich und trottete in den kalten, dunklen Morgen hinaus. Sam zog die Tür hinter sich zu und ging zügig die Straße hinunter. Er dachte kurz daran, Barney zu sagen, er sollte sich auf der Straße benehmen, nahm aber an, daß der Hund seine Lektion gelernt hatte. Seit dem Unfall schien Barneys Nase doppelt so feucht zu sein, und sie war sehr empfindlich. Andererseits schien das Erlebnis den Hund aber auch nicht zu sehr traumatisiert zu haben.
    Sam hatte kurze Zeit geschlafen. Der alte Traum hatte ihn geweckt. In diesem Traum hatte er ein Gläschen getrunken, und es war absolut okay gewesen. Er hatte nicht gewußt, daß es ein Traum war. Hatte Anfang und Ende nicht mitbekommen. Er trank ein Gläschen mit Jeanie. Scotch und Dry Ginger mit einem mondförmigen Stück Eis. Ein schweres Bleikristallglas. Er stürzte den Drink nicht hastig hinunter, nein, er trank zivilisiert, leerte sein Glas etwa zur gleichen Zeit wie sie ihres. Er erinnerte sich, den letzten Schluck einmal im Glas geschwenkt zu haben, ließ den Alkohol dann einen Moment über seinen Gaumen spielen, hielt das Eis mit den Zähnen aus dem Mund. Benutzte die Zähne als Barriere. Und blickte über die Kluft zwischen der Frau und sich, bereitete sich auf die Frage vor, ob sie noch einen wollte. Dann kam plötzlich die Erkenntnis: Du kannst ganz normal trinken wie jeder andere Mensch auf dieser Welt.
    Doch genauso schnell wachte er auf und erkannte, daß dies nicht stimmte. Er war immer noch Alkoholiker. Würde immer Alkoholiker bleiben. Selbst wenn er für den Rest seines Lebens trocken blieb, wäre er auf dem Sterbebett immer noch ein Alkoholiker. Denn es gab keine Heilung.
    Die Leute sagen einem, es gibt keine absoluten Dinge. Nichts ist endgültig. Alles ist relativ, okay? Aber das stimmt nicht. Und es hat auch keinen Sinn, herumzusitzen und sich über den Grund dafür den Kopf zu zerbrechen.
    Oder durch die nächtlichen Straßen von York zu streifen und sich nach dem Grund zu fragen.
    Aber es war stets präsent, also mußte man sich gelegentlich nach dem Warum fragen. Es war letzte Nacht im Whip präsent gewesen. Sie war dort gewesen, die Schottische Witwe, was für die meisten Männer schon genug gewesen wäre. Und Sweet Willy war dort gewesen, gab alles, was ein Mann geben konnte. Der defekte Thermostat und die brüllende Hitze in dem Laden waren für manche Leute zuviel gewesen. Alles in allem hätte der Abend voll ausreichen müssen, einen vergessen zu lassen. Und mittendrin hatte Sam dann auf einmal gemerkt, daß er die Leute beobachtete und sich wunderte. Denn wenn man Alkoholiker ist und trinkt, wenn man in einem Pub ist und voll wie eine Haubitze, dann denkt man, alle anderen wären ebenfalls total abgefüllt. So kommt es einem Säufer vor. Daß jeder auf der ganzen weiten Welt, und der Pub ist die ganze weite Welt -daß alle anderen auch sturzbesoffen sind. Zumindest genauso besoffen wie man selbst. Oder mehr. Oder sie ziehen ziemlich schnell nach. Wenn man aber nüchtern ist und sich an einem Ort befindet, an dem andere Leute trinken, zum Beispiel in einem Tanzsaal oder in einem Lokal wie dem Whip letzte Nacht, dann schaut man sich bisweilen um, weil man wissen will, wer denn so herumtorkelt. Und nur ganz selten sieht man tatsächlich jemanden, letzte Nacht war’s nur einer

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