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Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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Visitenkarte. «Sie haben mir sehr weitergeholfen», sagte er. «Falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an. Besonders, wenn Ihnen das Nummernschild wieder einfällt oder irgendwas über die beiden Männer.»
    Als sie auf die Straße hinaustraten, schüttelte Claude Sam die Hand und sagte: «Das hat sie auch immer gesungen, früher, . Kennen Sie den Song noch?» Er schloß die Augen und suchte den Anfang. «Hold my hand, I’m a stranger...» Er ließ es verklingen. Grinste Sam an. «Sie hat besser gesungen als ich.»
    Ist es nicht wahr, dachte Sam, als er sich auf den Rückweg in die Stadt machte.
     

KAPITEL FÜNFZEHN
     
    E gal, wen du kennenlernst, dachte Sam, als er sich auf den Weg machte, um sich mit der Frau von Scottish Widows zu treffen, jeder hat einen Teil seines Lebens, den er ausblenden will. Da war etwas an Claude White gewesen, etwas in seiner Stimme, als er von Marnie erzählte. Eine Wehmut. Eine Sehnsucht zurück zu einer Zeit, als etwas hätte passieren können, das nicht passiert war.
    Bei Marie war es genau anders. Etwas war Marie zugestoßen, von dem sie wünschte, es wäre nie passiert. Er saß in der Falle seiner Illusion, sie in der Falle der Wirklichkeit.
    Und was ist mit Sam Turner? War er dem allen entgangen? Nennt ihn einfach Mister Bestens Angepaßt. Ein Prachtexemplar eines britischen Mannes, eins achtundachtzig in Socken und keine Angst vor gar nichts außer der Polizeistunde.
    Sam hatte immer diese Benommenheit gesucht, dieses Gefühl, nachdem man bereits mit Trinken begonnen hatte, aber noch bevor man richtig voll war. Dieses Gefühl namens Normalität. Man fühlt sich gut, locker und entspannt. Wie verheiratet zu sein, allein mit seiner Frau. Oder wenn man mit Freunden zusammenhockt, und jemand hat gerade einen Witz gerissen, und alle lachen. Das. Dieser Augenblick.
    Normalität.
    Beim Trinken ging’s immer genau darum. Um die Erwartung, das zu erreichen. Statt dessen betreibt man Raubbau mit seinem Körper. Man mißbraucht sich selbst. Man will die Welt treffen, also tut man sich selbst weh. In Maries Fall sieht Sam die Zusammenhänge. Was ihn selbst betrifft, weiß er, daß er stets nur das sehen wird, was er sehen will.
    Kindesmißbrauch und Selbstmißbrauch sind im Grunde ein und dasselbe. Wenn wir uns selbst mißbrauchen, dann mißbrauchen wir das Verwundbarste in uns. Das Kind.
    «Was hast du gemeint, als du sagtest, du bist Alkoholiker?» fragte Jeanie.
    «Es ist eine Schwäche. Ein Versuch, mir selbst Macht zu verleihen. Wenn ich trinke, wenn ich anfange zu trinken, gibt mir das die Illusion, alles fest im Griff zu haben. Nachdem ich einige Zeit, nicht sehr lange, getrunken habe, kann ich Signale nicht mehr erkennen. Signale von anderen Menschen, ja sogar Signale meines eigenen Körpers oder Verstandes. Ich funktioniere nicht mehr richtig. Ich arbeite nicht.»
    Sie war beunruhigend. Er hatte ihr gesagt, er sei ein Wrack, und sie saß einfach da und starrte in seine Augen auf. Sie sah ihn mit unverhohlener Bewunderung an. Sam hatte keinen Schimmer, was er damit anfangen sollte. Er wußte nur, daß sie damit bei ihm auf sämtliche richtigen Knöpfchen drückte.
    Ricardo, der Inhaber des Restaurants, kehrte zurück und stellte eine Coke vor Sam. Eiswürfel klirrten und knisterten an der Oberfläche. Er stellte ein Glas Weißwein vor Jeanie. Sie griff danach, zögerte dann, begnügte sich damit, das Glas anzufassen.
    «Na los, mach schon», sagte Sam. «Halt dich wegen mir nicht zurück.»
    Sie hob das Glas und führte es an die Lippen. Sam prostete mit seiner Coke. «Cheers», sagte er und leerte ein Viertel des Glases.
    «Gibt es auch einen Grund?» fragte sie und schaute immer noch in seine Augen. «So was wie ein Trauma, das dich dazu zwingt?»
    «Ich gehe zu den Treffen der AA», sagte er. «Es gibt so viele Gründe, wie es Menschen gibt. Manche Alks sind leicht zu durchschauen. Sie suchen nach Liebe, sie sind einsam, sie hatten nie eine wirklich enge Beziehung. Vielleicht hatten sie es als Kind schwer? Was immer, für sie ist der Stoff ein Ersatz. Man kann die Zusammenhänge bis weit zurück erkennen. Bei anderen ist es nicht so offensichtlich.
    Manche Leute, vielleicht die meisten Menschen, können in einen Pub gehen und ein Bier trinken, ein paar Mäuse an der Theke lassen. Für mich ist es nicht so. Nach dem ersten Drink lege ich meine Brieftasche auf die Theke, alles, was ich auf der Bank habe, mein Auto, mein Haus, meine Frau und

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