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Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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einfach nicht aufgebracht. Ich war nicht stark genug. Aber mit den AA kann ich es in Schach halten.»
    «Du meinst, du bist geheilt?»
    Er schüttelte den Kopf. Nichtalkoholiker verstehen das nicht. «Nein», sagte er. «Es gibt keine Heilung. Ich werde immer Alkoholiker bleiben. Im Augenblick bin ich ein nüchterner Alkoholiker. Mit Hilfe der AA werde ich ein nüchterner Alkoholiker bleiben.»
    Dann schwieg sie für mehrere Minuten. Hin und wieder wechselten sie ein Wort, redeten mit den Enten, aber im Grunde genommen war sie in sich gegangen, um alles zu verdauen und sich darüber klar zu werden, was sie davon halten sollte. Später sagte sie: «Eine solche Gruppe muß etwas ganz Besonderes sein.»
    «Ja», sagte er. «Einfach unglaublich.» Er wollte ihr sagen, daß sie auch etwas ganz Besonderes war. Aber das hätte wie billige Anmache geklungen. Als er sich jetzt im Badezimmerspiegel betrachtete, begriff er, wie nett es gewesen wäre, genau das zu sagen, etwas, das Menschen) gern hörten. Aber als es drauf ankam, brachte er es nicht heraus. Er brachte es nicht fertig und warf ihr auch noch vor, es als Anmache mißzuverstehen. Wo er es in Wirklichkeit doch nur deshalb nicht sagen konnte, weil Sam Turner es nicht sagen konnte. Es nicht sagen konnte, weil er ein hundsgemeiner Dreckskerl war.
    Er konnte zusehen und darauf warten, daß Jeanie Scott wegen seines Alkoholismus ihr Innerstes nach außen kehrte, und wenn sie seine Erwartungen und Reaktionen mikroskopisch analysiert hatte, sich durch seine Gefühlslandschaft vorgetastet hatte und am Ende jeden Fuß genau richtig setzte, dann konnte er nicht mal danke sagen auf eine Art, die wirklich etwas bedeutet hätte.
    Sam schnitt sich mit der Klinge in den Hals. Zuckte zusammen und griff nach dem Handtuch, um die Blutung zu stoppen.
     
    «Ist sie’s?» fragte Geordie, als er aus dem Bad kam.
    «Macht’s dir was aus, mir diesen Gedankengang noch mal genauer zu verklickern?»
    «Die Krankenschwester? Jeanie? Diese Scottish Widows-Frau? Ist sie’s? Glaubst du, du schaffst es, sie zu halten?»
    «Sie zu halten?»
    «Ach, Sam du weißt genau, was ich meine. Magst du sie? Mir fällt das richtige Wort dafür nicht ein. Kommt ihr miteinander klar?»
    «Ja, Geordie. Ich mag sie. Was aber nicht bedeutet, daß wir eine lebenslange Beziehung eingehen. Ich denke nicht daran zu heiraten, mich zur Ruhe zu setzen und Kinder zu kriegen. Ich mag sie einfach. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig alles vorgenannte. Nicht notwendigerweise.»
    Geordie setzte Barney auf die Hinterläufe ab und kraulte dem Hund den Kopf. «Bei anderen Leuten schon, Sam. Bei normalen Menschen. Sie heiraten und kriegen Kinder und so Sachen. Ich weiß, dir gefällt das nicht, aber das liegt daran, daß du nicht normal bist. Du findest eine Frau, und wenn ich gerade wegsehe oder mit Barney einen Spaziergang mache, komme ich zurück, und du hast sie schon wieder verloren oder sie ist mit einem anderen abgezogen. Einem wie dir bin ich noch nie begegnet. Es ist gerade so, als könntest du eine Frau höchstens ein paar Tage halten, bevor sie mit einem anderen verschwindet oder du sie sitzenläßt. Ich finde, vielleicht suchst du dir immer die falschen aus. Meistens sind sie für dich viel zu jung. Du solltest dich mal nach einer Frau umsehen, die so ungefähr in deinem Alter ist. Ich weiß nicht, vielleicht eine, die auch schon mal verheiratet war, und ihr Mann ist gestorben, sie hatte eine Familie, und jetzt sind alle erwachsen und aus dem Haus, und sie fühlt sich einsam. Das wär auch mal richtig gut für sie.»
    «Mein Gott», sagte Sam und betastete die Wunde an seinem Hals. «Diese Frau, von der du da redest... backt die auch den ganzen Tag lang Apfelkuchen und hat meine Pantoffeln am Kamin vorgewärmt, wenn ich abends nach Hause komme?»
    «Schätze schon», meinte Geordie. «Damit irgendwas nicht in Ordnung?»
    «Nein, nein.» Sam ging zum Tapedeck und ließ einen Finger über die Etiketten gleiten. «Es ist nur ein angenehmer Gefängnistraum, mit dem ich aber nichts zu tun haben will.»
    «Da steht Janets Imagine- Tape», sagte Geordie. «Das könntest du mal reinschieben.»
    «Okay.» Sam nahm die Kassette aus der Hülle und schob sie in das Gerät. «Eigentlich hab ich was für eine durchgeschnittene Kehle gesucht, aber das hier tut’s für den Teil, der innerlich verkrüppelt ist.»
    Geordie legte einen Moment nachdenklich den Kopf auf die Seite, wodurch er und Barney wie Zwillinge aussahen. Dann

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