Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
wird dies vermieden, indem man die Bohrlöcher verrohrt oder einzementiert – nur wie soll man sich das in 1.500 Meter in der Tiefsee vorstellen? Ein tragischer Fall im April 2010 verdeutlicht dieses Problem. Es war der Tag der Havarie der » Deepwater Horizon«, einer von der Firma Transocean im Auftrag von BP betriebenen Förderplattform im Golf von Mexiko. In einer Tiefe von 1.500 Metern kam es zu einem Blowout, Öl strömte ungehindert über einen Zeitraum von mindestens fünf Monaten (das offizielle Schließen des Bohrlochs wurde am 19. September 2010 gemeldet) ins Meer. Das bedeutet, dass ungefähr 150.000 Tonnen Erdöl aus diesem abgeknickten Steigrohr nicht nur in das die Plattform umgebende Meer, sondern u.a. auch in das Flussdelta des Mississippi strömten. Satelliten-Bilder lassen zudem die Vermutung aufkommen, eine Unmenge an Öl hätte auch den Loop Current ( Schleifenstrom) erreicht und treibt hier in einer Tiefe von 1.300 Metern als 35 km lange stinkende Wolke durch die Ozeane.
Ein weiteres, noch extremeres Beispiel gibt es aus dem britischen Teil der Nordsee. In diesem Gebiet zwischen Schottland und Dänemark kam es vor über 20 Jahren zu einem tragischen Unfall. Im Auftrag der Erdölfirma ExxonMobil (damals nur Mobil) haben Mitarbeiter der Stena Drilling Company in 20 Meter Tiefe eine Probebohrung angesetzt und dabei versehentlich eine Methan-Gasblase angebohrt. Zwar flog die Bohrinsel nicht in die Luft, aber dennoch sind die Auswirkungen beachtlich. Seit 1990 strömt hier unablässig Methan aus hunderten einzelnen Gasquellen. Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) haben diese im Jahr 2006 mit ihrem Tauchboot Jago in Augenschein genommen und berichteten anschließend, dass rund 1.000 Liter Methan pro Sekunde austreten. Seit mittlerweile über 20 Jahren wohlgemerkt!
Man kann es also ganz einfach ausdrücken: Ja, Tiefsee-Erdölbohrungen sind enorm gefährlich!
http://www.ifm-geomar.de/
Ist die Tiefsee ein Medikamenten-Depot?
Seit Jahren erforschen Bio-Prospektoren die Tiefen der Weltmeere, um nach neuen Wirkstoffen Ausschau zu halten. Warum nur auf Medikamente aus dem Amazonas-Gebiet hoffen, wenn es in den Tiefen der Weltmeere doch ebenso eine riesige Menge an unerforschten Gebieten und entsprechenden Tieren und Bakterien gibt.
Laut Angaben der NOAA gibt es derzeit bereits mindestens 12 unterschiedliche Versuche weltweit, aus Tiefseebewohnern Medikamente gegen Krebs zu entwickeln. So sind etwa Extrakte der karibischen Seescheidenart Ecteinascidia turbinata bereits in klinischen Tests – also bereits sehr weit entwickelt. Fast ebenso weit sind die Tests mit dem Wirkstoff Aplidin der Mittelmeer-Seescheide Aplidium albicans oder dem Wirkstoff Bryostatin der Moostierchen Bugula neritina, der gegen Leukämie helfen soll.
Auch den diversen Schwämmen wird weltweit besonderes Augenmerk gewidmet, haben sie doch eine Vielzahl hoch wirksamer Substanzen entwickelt, um sich vor Feinden oder Algen zu schützen. Forscher des deutschen Kompetenzzentrums BIOTEC marin haben sich diese bioaktiven Substanzen genauer angesehen und sind nun der Meinung, dass einer dieser Stoffe vermutlich ebenfalls bei der Krebsbehandlung eingesetzt werden könnte. Die US -amerikanische Firma Harbor Branch Oceanographic Institution forscht bereits seit fast 30 Jahren in den Tiefen der Karibik und des Atlantiks nach neuartigen Medikamenten. Dabei sehen sie sich besonders in Tiefen ab 150 Meter und tiefer um. Mittlerweile hat das Unternehmen über 100 Wirkstoffe entdeckt und entsprechend 92 Patente darauf angemeldet. Discodermolide, ein extrem wirksamer Krebshemmer, stammt aus diesen Tiefsee-Forschungen und wird derzeit durch das Pharmaunternehmen Novartis klinischen Tests unterzogen. Gefunden wurde er im Tiefseeschwamm Discodermia dissoluta vor den Bahamas.
Doch auch andere medizinische Hilfsmittel sind aus der Tiefsee zu gewinnen. So gibt es etwa einige Tiefsee-Schwämme, die mit Hilfe des Enzyms Silikatein ein Skelett aus Biosilikaten bilden können. Könnte man dieses Enzym kontrolliert einsetzen, wäre es für die Regeneration von Knochen von enormem Wert.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: In den Tiefen der Weltmeere schlummert eine Unzahl an potenziellen Medikamenten für uns Menschen. Nun können wir uns überlegen, ob wir die Tiefsee lieber ausbeuten, Rohstoffe abbauen und ganze Lebensräume mit Tiefsee-Schleppnetzfischerei zerstören – oder doch vielleicht Medizin zur Rettung der
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