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Tiefsee

Tiefsee

Titel: Tiefsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Schlafzimmer. Seit er zurückgekehrt ist, haben sie noch keinen sexuellen Verkehr gehabt.«
    »Körperfunktionen?«
    »Alle Werte normal.«
    Lugowoj gähnte und blickte auf die Uhr. »Zwölf Minuten nach ein Uhr nachts.«
    »Sie sollten sich ein wenig aufs Ohr legen, Doktor. Die innere Uhr des Präsidenten weckt ihn jeden Morgen zwischen sechs und sechs Uhr fünfzehn.«
    »Das ist kein leichtes Projekt«, murrte Lugowoj. »Der Präsident braucht zwei Stunden weniger Schlaf als ich. Ich hasse Frühaufsteher.« Er brach ab und betrachtete den polysomnographischen Bildschirm, der die physiologischen Parameter aufzeichnete, die den Schlaf des Präsidenten begleiteten. »Er scheint zu träumen.«
    »Es wäre interessant zu erfahren, wovon der Präsident der Vereinigten Staaten träumt.«
    »Wir werden eine ungefähre Ahnung davon bekommen, sobald die Aktivität seiner Gehirnzellen von koordinierten Denkprozessen zu unzusammenhängenden Abstraktionen übergeht.«
    »Befassen Sie sich mit Traumdeutung, Doktor?«
    »Das überlasse ich den Freudianern«, antwortete Lugowoj.
    »Ich bin einer der wenigen, die glauben, daß Träume keine Bedeutung haben. Es ist nur eine Situation, in der das Gehirn von der Disziplin des Tagdenkens befreit ist und auf die Reise geht. So wie ein Stadthund, der in einer Wohnung lebt und auf dem Lande losgelassen wird, in keine bestimmte Richtung läuft, sondern nur die neuen, ungewohnten Gerüche genießt.«
    »Es gibt viele, die nicht Ihrer Meinung sind.«
    »Träume sind nicht mein Spezialfach, deshalb kann ich nicht von einer rein wissenschaftlichen Basis aus argumentieren.
    Wenn sie wirklich eine Botschaft zu übermitteln haben, erscheint es mir aber doch merkwürdig, daß die meisten Sinne gewöhnlich dabei unbeteiligt bleiben.«
    »Sie meinen das Fehlen von Geruchs- und Geschmacksinn im Traum?«
    Lugowoj nickte. »Auch Geräusche werden selten aufgenommen. Das gleiche gilt für den Tastsinn und Schmerzen.
    Träume sind primär nur visuelle Wahrnehmungen. Meiner Ansicht nach, die sich auf ein wenig persönliche Forschung stützt, ist also ein Traum von einer einäugigen Ziege, die Feuer spuckt, nichts anderes als ein Traum von einer einäugigen Ziege, die eben Feuer spuckt.«
    »Die Traumtheorie ist die Grundlage jeder psychoanalytischen Verhaltensweise. Sie haben einen so guten Ruf, daß Sie mit Ihrem Ziegentraum eine Menge feststehender Denkmäler umstürzen würden. Denken Sie nur, wie viele unserer Genossen Psychiater arbeitslos würden, wenn sich herausstellt, daß Träume ohne Bedeutung sind.«
    »Willkürliche Träume werden rasch vergessen«, fuhr Lugowoj fort. »Aber die Anweisungen, die wir den Gehirnzellen des Präsidenten übermitteln, während er schläft, werden von ihm nicht als Träume empfangen. Sie sind eingegebene Gedanken, an die man sich erinnern und auf die man durch äußere Reize reagieren kann.«
    »Wann soll ich anfangen, sein Implantat zu programmieren?«
    »Übermitteln Sie die Instruktionen, kurz bevor er aufwacht, und wiederholen Sie sie, wenn er sich an seinen Schreibtisch setzt.« Lugowoj gähnte wieder. »Ich gehe erst einmal zu Bett.
    Rufen Sie in meinem Zimmer an, wenn sich eine plötzliche Komplikation ergibt.«
    Der Neurologe nickte. »Schlafen Sie gut.«
    Lugowoj schaute noch mal kurz auf die Überwachungsapparaturen, bevor er den Raum verließ. »Ich möchte wissen, was sein Geist sich vorstellt!«
    Der Neurologe wies lässig auf den Datendrucker. »Es sollte dort vorliegen.«
    »Spielt keine Rolle«, meinte Lugowoj. »Es kann bis morgen warten.« Dann drehte er sich um und ging in sein Zimmer.
    Die Neugierde des Neurologen aber war geweckt, so daß er nach dem obersten ausgedruckten Blatt griff, das die ausgewerteten Gehirnwellen des Präsidenten enthielt, und einen Blick auf den Text warf.
    »Grüne, sommerliche Hügel«
, murmelte er vor sich hin, während er las. »
Eine Stadt zwischen zwei Flüssen mit vielen Kirchen in byzantinischem Stil mit Hunderten von Kuppeln. Eine heißt nach der heiligen Sophie. Ein Schleppkahn voller Zuckerrüben. Die Katakomben des heiligen Anton.
Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen, er träumt von der Stadt Kiew.«
    Er stand neben einem Weg auf einem Hügel mit dem Blick auf einen breiten Fluß, beobachtete den Schiffsverkehr darauf und hielt einen Pinsel in der Hand. Auf dem baumbestandenen Abhang unter ihm sah er ein großes Steinpostament, auf dem eine in wallende Gewänder gekleidete Gestalt ein großes

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