Tiefseeperle
liebte es, wenn ihre Haare so locker über ihre Schultern fielen, nicht streng aus dem Gesicht gekämmt. Doch noch nie hatte er sie so aus dem Haus gehen sehen. Natürlich interessierte ihn, was sie so quälte, doch er fragte nicht. Es war der falsche Zeitpunkt.
Zwei Tage später platzte die nächste Bombe. Diese Bombe präsentierte sich in Form eines Briefes. Absender war eine Anwaltskanzlei aus Potsdam. Nervös riss Victoria den Umschlag auf. Nachdem sie den Inhalt überflogen hatte, ließ sie sich auf einen Küchenstuhl fallen und steckte sich eine Zigarette an. Ihre Hände zitterten.
Das, was da stand, war so absurd, so lächerlich. Nervös wählte sie die Nummer von Catharina und hoffte inständig, dass die Freundin nicht in einem Meeting oder sonst wie verhindert war.
„Hallo Liebchen“, zum Glück ging sie ran.
„Die wollen mich verklagen!“, fiel sie ohne ein Wort der Begrüßung sofort mit der Tür ins Haus.
„Wer will dich verklagen?“
„Ich fasse es nicht, die haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Aber Maximilian hatte recht.“
„Hallo …!“, unterbrach Catharina ihre aufgelöste Freundin. „Erzähl mal eins nach dem anderen.“
„Entschuldige, ich bin noch völlig daneben.“ Victoria versuchte sich zu sammeln. „Hast du denn überhaupt Zeit?“
„Ja selbstverständlich und wenn nicht, würde ich sie mir nehmen!“ Die Anwältin hatte ihre Freundin noch nie so aufgewühlt erlebt.
„Die Kinder von Johannes von Hohenstein haben einen Anwalt beauftragt. Ach ja, ich habe es dir noch gar nicht erzählt. Er ist verstorben, und ich soll mitverantwortlich sein … außerdem wollen sie das Bild zurück.“
„Ich komme immer noch nicht mit. Pass mal auf, ich habe noch einen Termin, und dann komme ich vorbei. Egal was es ist, wir finden einen Weg.“ Es machte keinen Sinn, sich in diesem Telefonat einen Überblick zu verschaffen.
„Gut danke. Bis nachher“, willigte Victoria ein, auch wenn sie das Gefühl hatte, diese Zeit nicht zu überstehen.
Zwei Stunden später traf Catharina auf eine immer noch völlig aufgelöste Victoria, die versuchte, sich mit einem Glas Wein zu beruhigen. Wortlos schob Vic das Schreiben über den Tisch. Catharina las, und ihre Zornesfalte zog sich etwas zusammen.
„Die haben ja echt ’ne Macke!“, murmelte sie kopfschüttelnd.
„Sag’ ich doch“, seufzte Victoria.
„Okay, dann fasse ich jetzt mal zusammen, was die von dir wollen bzw. behaupten: Der Alte von Hohenstein ist verstorben. Todesursache war wohl laut der von der Familie veranlassten Obduktion Herz- und Organversagen - ausgelöst durch gestreckte, potenzfördernde Mittel. Sie unterstellen, dass du ihn dazu genötigt haben sollst …“
„… du weißt, dass das nicht stimmt“, fiel Victoria ihr ins Wort.
„Natürlich nicht. Weiterhin fordern sie die Rückgabe des Gemäldes von einem Xaver Bernstein. Kurz, sie unterstellen dir ‚Erbschleicherei‘. Da dieser Begriff nicht als juristischer Tatbestand existiert, verpacken sie das in das Mäntelchen ‚der Heimtücke‘. Du sollst ihn ausgenutzt haben, und seine emotionale Abhängigkeit, die sie in vielen Briefen dokumentieren, benutzt, um dich zu bereichern.“
„Das ist unfassbar. Das war das Spiel, diese Briefe sind uralt“, Victoria warf einen Blick auf die beigefügten Kopien.
„Wie kommen denn die von Hohensteins auf einen solchen Unsinn?“
„Sie haben ein Attest beigelegt, das dem alten von Hohenstein schon seit langer Zeit attestiert, dass er quasi nicht ganz klar im Kopf war. Dadurch wird seine sexuelle Neigung erklärt.“
„Maximilian hatte wohl recht …“, murmelte Vic leise, und es klang für Catharina eher aus dem Zusammenhang gerissen. In diesem Moment klingelte Vics Telefon. Schnell nahm sie das Gespräch an.
„He Süße, ich habe eine erste Expertise zu dem Bild.“ Maximilian hatte sich, wie versprochen, darum gekümmert. Feierlich verkündete er: „Tja, meine Katze, es ist ein Original!“ Seine Stimme klang dabei aufgeregt.
„Ich weiß“, antwortete sie tonlos.
„Wie? Woher?“, er konnte seine Überraschung nicht verbergen.
„Komm bitte zu mir, wir sind im Studio. Kein Thema fürs Telefon.“
Kurze Zeit später saßen sie zu dritt zusammen. „Was schätzt du, welchen Marktwert hat dieses Gemälde?“, fragte Catharina, die nun in die Geschichte mit der Schenkung eingeweiht worden war. „Meine Bekannte vermutet, dass Liebhaber bestimmt um eine Million Euro zahlen
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