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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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irgendetwas hielt ihn zurück, und er brach die Bewegung ab.
    »Na, los. Komm schon her. Ich beiß dich nicht«, ermunterte sie ihn.
    Sie unterstützte die Aufforderung mit einem Lächeln und einer einladenden Handbewegung. Zögernd setzte er sich auf einen kleinen Hocker zu ihren Füßen. Sie schaute ihn lange an und sagte kein Wort. Als ihr das Blut an Kilians Nase auffiel, brach sie das Schweigen, in dem Kilian feige ausgeharrt hatte.
    »Hast du dich verletzt?«, fragte sie fürsorglich.
    »Nichts Dramatisches«, antwortete Kilian, »ich hatte wieder mal meine Augen nicht dort, wo ich sollte.«
    Katharina lächelte. »Ja, das kenn ich von dir. Was hast du nicht alles für Schrammen nach Hause gebracht, und ich wusste nicht, wie das alles mit dir enden würde. Du warst …«
    »Ja, ich weiß, Mama«, unterbrach sie Kilian, wie es ein Halbwüchsiger tut, wenn er zum abertausendsten Mal eine Belehrung hört.
    »Verzeih. Ich kann es mir einfach nicht abgewöhnen, dass du mein ›kleiner Bandit‹ warst. Und ich befürchte, dass du niemals etwas anderes für mich sein wirst.«
    Katharina lächelte und hob ihre Hand, um ihm über das Haar zu streichen. Kilian spürte sofort den Reflex zu flüchten, konnte ihn aber noch unterdrücken. Er ließ es über sich ergehen. Sosehr es ihn früher gewurmt hatte, als ihr ›kleiner Bandit‹ bezeichnet zu werden, wusste er, dass er den Namen sein Leben lang nicht losbekommen würde. Jetzt überkam ihn dabei sogar ein seltsames Gefühl der Vertrautheit. Einer Vertrautheit, die nur seine Mutter in ihm hervorrufen konnte.
    »Die Zeiten ändern sich. Früher war ich einer, heute jage ich sie«, sagte er. Dann: »Wie geht es dir?«
    Die Frage war ehrlich gemeint.
    »Es tut gut, dich wieder zu sehen und mit dir sprechen zu können. Ich habe das vermisst.«
    Nach einer Ausrede zu suchen wäre ihm in jeder anderen Situation nicht schwer gefallen, doch in diesem Moment, in dem seine Mutter vor ihm saß, spürte er, dass er ihr nichts vormachen konnte und dass sie jede Lüge bereits im Ansatz erkennen würde. So unterließ er den Versuch.
    »Ich habe oft an dich denken müssen«, begann er. »Es war nicht leicht … Es tat sehr weh, daran denken zu müssen, wie alles gelaufen ist.«
    Kilian stockte. Er war am Kern angekommen und kämpfte mit sich, ob er weiterreden oder ob er besser den Mund halten sollte. Die Antwort folgte auf den Fuß. Hoffmann kam mit zwei Gläsern Weinschorle aus der Küche und stellte sie wortlos auf den Tisch. Im Weggehen trat er Kilian ans Schienbein. Kilian wusste, dass es eine Erinnerung an seine Ermahnung war: Mach nicht den gleichen Fehler …
    Als Hoffmann hinter dem Terrassenfenster verschwunden war, setzte Kilian erneut an.
    »Ich konnte nicht verstehen, wieso du Papa verlassen hast und …«
    Katharina ließ ihn nicht aussprechen und legte ihm den Finger auf den Mund.
    »Ich habe deinen Vater nicht verlassen. Bitte, glaub mir das. Es kam ein Punkt, an dem ich mich entscheiden musste.«
    »Für den da?«, schoss es Kilian spontan heraus.
    »Nein, nicht für ihn. Bernhard hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun. Ich musste mich einfach entscheiden, ob der Mann, den ich damals geheiratet hatte, noch der Mann war, den ich liebte. Glaub mir, das war keine leichte Sache für mich.«
    »Aber du hast ihn verlassen.«
    »Dein Vater hat mich weit früher verlassen als ich ihn. Er hatte sich längst eine neue Frau gesucht – seine Touren. Sein Drang hinaus war es, der uns zerstörte. Ich spürte, und er spürte, dass es ihm bei uns zu eng geworden war. Er suchte nach etwas, das ich ihm nicht geben konnte. Es war etwas, das außerhalb der Welt lag, die ich ihm bieten konnte. Er suchte es in der Türkei, in Griechenland, Norwegen. Überall dort, wo ich nicht war. Überall dort, wo ich nie sein konnte. Verstehst du das?«
    Kilian wollte ihr ins Gesicht schreien, dass sie sich mehr hätte anstrengen sollen. Es hatte doch bestimmt einen Grund gegeben.
    »Wieso hast du ihn nicht gezwungen, seinen Job aufzugeben? Wieso nicht?«
    Katharina schwieg. Kilian spürte, dass er sie getroffen hatte. Er wusste nicht, wo und wie, aber er hatte sie getroffen. Tränen traten in ihre Augen. Sie griff nach einem Papiertaschentuch.
    »Glaub mir, Johannes«, sagte sie, »ich weiß nicht, wie oft ich ihn gebeten hatte, seine Arbeit aufzugeben. Angefleht hatte ich ihn. Aber es war nicht mit ihm zu reden. Er dachte, dass alles in Ordnung war, so wie es lief. Ich habe ihm die Koffer vor die

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