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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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wird von Ihnen beiden dabei sein?«, fragte Karl.
    »Ich denke, Kollege Heinlein wird das übernehmen«, ordnete Kilian trocken an.
    Heinlein war nicht davon begeistert. Er hasste Sektionen.
    »Gut, Schorsch. Dann sehen wir uns gleich«, sagte Karl amüsiert und verabschiedete sich.
    Er hatte jedes Mal eine diebische Freude im Gesicht, wenn Heinlein ihm bei der Arbeit zusah. Er war für ihn ein dankbares Objekt der Darstellung lebenswichtiger Organe.
    »Wieso können Sie das nicht übernehmen?«, fragte Heinlein angeekelt. »Dann würden Sie die Leute aus der Rechtsmedizin schon mal kennen lernen.«
    »Alles zu seiner Zeit«, antwortete Kilian. »Ich muss erst mal aus den Klamotten raus und brauch ein Dach über den Kopf.«
    Er ließ Heinlein stehen und ging die Stufen hinab auf den Ausgang zu. Dann drehte er sich nochmal um.
    »Na, kommen Sie«, forderte er ihn auf. »Oder soll ich so durch die Stadt laufen?«
    Heinlein hätte ihm am liebsten genau das als Revanche für die Sektion gewünscht. Er folgte ihm schließlich zum Auto, nicht ohne die Hand vorausahnend auf seinen Bauch zu legen. Irgendwie wurde ihm jetzt schon schlecht.
    Heinlein steuerte den Wagen über das holprige Kopfsteinpflaster in die Theaterstraße. Kilian drehte sich um und las die Straßenschilder.
    »Wir fahren erst ins Kommissariat«, sagte er.
    »Tun wir auch«, antwortete Heinlein eingeschnappt.
    »Aber …«
    »Die Kripo ist umgezogen. Wir sind jetzt nicht mehr unten am Main, sondern in der Zellerau am Neunerplatz.«
    »Wann war das?«
    »90, glaub ich.«
    »Und der Rest?«
    »Die Direktion ist nach wie vor in der Augustiner und das Präsidium in der Frankfurter.«
    Kilian nickte. Es hatte sich also einiges verändert. Er war gespannt, was ihn noch erwartete, und schaute aus dem Fenster.
    Wie immer staute sich der Verkehr vor der Abzweigung in die Semmelstraße, und Heinlein musste vor dem Bürgerspital halten. Eine Gruppe Touristen wurde gerade in die Weinstuben geführt.
    »Volles Programm«, sagte Kilian. »Manche Dinge ändern sich wohl nie.«
    »Was?«, wollte Heinlein wissen.
    »Nichts. War nur so ’ne Erinnerung.«
    Als sie um die Kurve bogen, sah Kilian eine Frau, Ende sechzig, im bunten Sommerkleid, und einen Mann, ungefähr im gleichen Alter, Arm in Arm. Sie kamen lachend aus der Probierstube im Bürgerspital auf die Straße getreten. Der Mann küsste sie auf die Wange, und sie genoss es sichtlich.
    Kilian rutschte abrupt in den Sitz und hielt seine Hand zwischen Fenster und Gesicht.
    »Was ist jetzt? Fahr ich zu schnell?«, fragte Heinlein überrascht.
    »Nee, zu langsam. Drücken Sie drauf«, befahl Kilian, der es nicht wagte, nochmal in Richtung des Paares zu blicken.
    Heinlein drückte aufs Gaspedal, und der A6 katapultierte sie an der Hauger Pfarr vorbei auf den Bahnhof zu.
    Verdammt, dachte Kilian. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Kaum war er wieder in der Stadt, und schon lief sie ihm über den Weg.
    Heinlein bog auf den Parkplatz der Kripo am Neunerplatz ein. Kilian stieg aus und nahm das backsteinrote, zweistöckige Gebäude in Augenschein. Es war mit zahlreichen Birken eingesäumt und blickte auf die Feste Marienberg, die, gut einen Kilometer Luftlinie entfernt, auf dem gleichnamigen Berg über der Stadt thronte. Kilian folgte Heinlein in das Gebäude, um mehrere Ecken, bis sie über einen langen Gang mit offen stehenden Bürotüren zum Zimmer 114 kamen. Auf dem Namensschild prangte in der zweiten Zeile KOK Georg Heinlein, Kommissariat l, Tötungsdelikte. Die obere Zeile war unbesetzt. Das Schild von Kriminalhauptkommissar Schömig war bereits entfernt. Oberhammer war da nicht zimperlich und schaffte klare Verhältnisse – keine Zeit für Vergangenheitsromantik.
    Kilian trat ein, und Heinlein wies ihm den Platz an einem der beiden Schreibtische zu, die zusammengeschoben waren.
    »Das wäre Ihr Platz«, sagte Heinlein und lief zu seinen Stuhl, auf dem er sich niederließ, die Hände verschränkte und abwartete.
    Kilian lief um einen ausladenden Benjamin herum, der als Sichtschutz gegen überraschende Besucher vor den Schreibtischen stand und hinter dem man schnell etwas unter den Tisch verschwinden lassen konnte, wenn es notwendig erschien.
    Die Möbel waren allesamt neu, kaum gebraucht, Marke Seelenlos, eierschalfarben und arm an Geschichten. Hinter Heinlein hing neben Fahndungsfotos und Polaroidaufnahmen von Tötungswerkzeugen ein Poster von der Westküste Frankreichs an der Wand. Ein langer Strand zwischen schroffen

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