Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
vorgehaltener Hand.
»Was?«, fragte Sabine erstaunt.
»Nur ’n Witz. Vergessen Sie’s«, sagte Kilian. »Ich freu mich, Sie kennen zu lernen.«
Sabine erwiderte den Gruß. »Freut mich auch. Soll ich Ihnen ’nen Kaffee machen, oder wollen Sie lieber ein Wasser, Tee, Bier?«
»Danke«, erwiderte Kilian, »vielleicht später. Zuvor muss ich mit Herrn Heinlein noch ein paar Dinge besprechen.«
»Okay«, sagte sie keck, »dann lass ich Sie erst mal allein. Beschnuppern und so.«
Sabine hatte, nach Kilians Dafürhalten, eine angenehme Art und Ausstrahlung. Kilian schätzte sie auf Mitte zwanzig. Nicht unbemerkt blieben ihm der schwarze Minirock, die bis zu den Knien geschnürten Stiefel, eine silberfarben schimmernde Bluse und hennagefärbtes Haar. An ihren Fingern trug sie, was Kilian in der kurzen Zeit bemerken konnte, zahlreiche Ringe mit ausladendem Besatz.
»Wenn Sie sich’s anders überlegen sollten«, sagte sie, bevor sie die Tür schloss, »ich bin nebenan.«
»Nicht schlecht, unsere Sabine. Oder?«, sagte Heinlein und schielte auf die Nebentür.
Kilian schmunzelte. »Ja, nicht schlecht. Wie gut kennen Sie sich?«
»Ich bin ein glücklich verheirateter Mann«, wehrte er ab und legte seine Hand aufs Herz. »Nie und nimmer. Freunde. Mehr nicht.«
»Gut«, sagte Kilian trocken. »Freunde kann man nie genug haben.«
Er musste an Pendini denken, den er tot auf der Bank am Flughafen zurückgelassen hatte. Pendini, sein Freund und Partner. Pendini hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Er war in seiner Schuld. Und in der entscheidenden Situation war er nicht zur Stelle gewesen und hatte ihm nicht den Rücken gedeckt. Jetzt war er tot. Starb in seinem Blut, auf einer beschissenen Bank, von der Kugel eines angeheuerten Killers getroffen. Patrizia, Pendinis Frau, würde ihn fragen, wo er in diesem Moment gewesen sei. Was würde er ihr antworten, wie um Verzeihung bitten? Er war schuld an seinem Tod, hatte nicht auf seinen Rat gehört und alberne Späße gemacht. Schröder hatte in allem Recht. Galinas Flucht war Pendinis Schicksal. Und das hatte er zu verantworten. Niemand sonst. Wie könnte er das jemals wieder gutmachen. Ihm wurde schlecht.
Heinlein merkte, dass Kilian mit den Gedanken woanders war. Besorgt fragte er nach: »Hab ich was Falsches gesagt?«
»Nein. Es ist nichts«, antwortete Kilian.
Er würde Patrizia heute Abend anrufen und … Er wusste nicht, was er ihr sagen würde.
Kilians Telefon surrte. Heinlein übernahm das Gespräch.
»Heinlein«, sagte er bestimmt. Und dann: »Ja, sofort. Ich sag’s ihm.«
Heinlein legte den Hörer auf und wandte sich Kilian zu.
»Sie sollen zu Oberhammer kommen. Er will mit Ihnen noch was besprechen.«
»Trifft sich gut. Ich hab auch noch was mit ihm zu bereden. Wo find ich ihn?«
»In der Augustiner.«
Kilian stand auf und ließ sich von Heinlein die Autoschlüssel geben.
»Wie geht’s jetzt weiter?«, wollte Heinlein wissen.
»Womit?«
»Mit der Leiche zum Beispiel.«
»Übliche Prozedur. Sie wissen ja, wie das geht. Oder?«
»Ja, klar«, sagte Heinlein beiläufig.
»Also, dann bis später«, sagte Kilian und ging zur Tür. Er drehte sich nochmal um.
»Noch was, machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen, dass ich länger bleibe als nötig.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Heinlein überrascht.
»Wie ich es gesagt habe«, antwortete Kilian und ging auf den Gang hinaus.
»Wenn Sie nichts anderes vorhaben, dann sind Sie heute Abend eingeladen. Muss nur noch mit meiner Frau sprechen«, rief ihm Heinlein hinterher.
Doch Kilian hörte nicht mehr. Er nahm sich vor, die Sache endgültig mit Oberhammer zu klären.
*
Giovanna Pelligrini kam im weißen Overall aus einem Seitenzimmer, das für die Dauer der Arbeiten von Handwerkern und Stuckateuren als Aufenthaltsraum genutzt wurde. Sie hatte dort hinter einem Paravent ihren Spind stehen, wo sie sich umziehen konnte und ihre Unterlagen aufbewahrte. Auf dem Weg zum Treppenhaus kam ihr Schneider entgegen.
»Wir wären jetzt so weit, Frau Pelligrini«, sagte er.
»Sehr gut«, antwortete sie und ging, ohne weiter auf ihn einzugehen, an ihm vorbei.
Schneider hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten.
»Wenn Ihnen noch etwas auffällt, dann melden Sie sich bitte bei uns«, rief er ihr hinterher.
»Wird gemacht«, kam es zurück.
Schneider schüttelte ob der Abfertigung verständnislos den Kopf und ging die Treppe zwischen den zwei Gerüsten hinunter.
Giovanna macht sich daran, das
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