Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
überhaupt?«
»Heinlein, Kriminalkommissariat. Also, woher stammt so eine Feder?«
Singer schien nur im ersten Moment überrascht. »Na, von so einem Vogel natürlich«, antwortete er forsch und amüsierte sich über seine rhetorische Meisterleistung.
»Nicht frech werden. Verstanden? Ich kann Sie auch mitnehmen und dann …«
»Ja, ja, schon gut. Früher haben wir sie für das Anfertigen von Kostümen verwendet. Aber seit einigen Jahren steht der Vogel auf der roten Liste der bedrohten Tierarten. Dann haben wir uns was anderes einfallen lassen müssen.«
»Und wo haben Sie die Federn herbekommen?«
»Es gibt nur einen Händler in Deutschland, der sie vertreibt.«
»Wunderbar. Und wo ist der?«
»In München.«
»Wie heißt er?«
»Korrassow.«
»Korrassow wie? Hat er keinen Vornamen, Straße, Telefonnummer?«
»Wladimir Korrassow, Müllerstraße 8. Telefonnummer weiß ich nicht.«
»Na also. Geht doch«, triumphierte Heinlein.
»Aber nur, wenn man anständig fragt.«
Heinlein wollte schon Gift und Galle spucken, doch dann siegte der Verstand. Er brauchte noch mehr Informationen von diesem arroganten Kostümmeister.
»Was macht dieser Korrassow, dass er an die Federn kommt und sie vertreiben darf?«, fragte Heinlein nach.
»Beschafft alles, was man braucht. Federn, Beluga, Geld, Beziehungen, Poliz …« Singer brach ab.
»Poliz … was?«, fragte Heinlein.
»Polierwerkzeuge«, kam die prompte Antwort.
»Polierwerkzeuge? Was soll das denn schon wieder?«
»Künstler- und Malerbedarf Korrassow. Kennen Sie den Korrassow wirklich nicht? Den weltberühmten Korrassow?«, reizte Singer Heinlein erneut.
»Nein, kenn ich nicht«, fauchte Heinlein zurück und bemühte sich, die Kontrolle zu behalten. »Also, was oder wer ist das?«
»Korrassow vertreibt Werkzeuge für Künstler. Für Maler, Restaurateure, Kostümbildner, Bildhauer und so weiter. Verstehen Sie, was ich sage?«
Heinlein war nah dran, Singer eins auf die Nase zu geben.
»Das tue ich. Also nochmal. Sie haben über diesen Korrassow diese Federn bekommen. Richtig?«
»Exactement.«
»Und dieser Korrassow ist der Einzige, der sie in Deutschland vertreibt?«
»Njet, vertreiben durfte«, verbesserte Singer Heinlein schadenfroh.
»Ist ja Wurscht. Also vertreiben durfte …«
»Aber …«
»Was aber?«
»Rote Liste. Du verstehen?«
Das war genug. Heinlein zog Singer an sich heran.
»Du kleine Schwuchtel. Jetzt reicht es aber. Wenn du mir nochmal so blöd kommst, dann …«
»Dann?«
Die Antwort blieb aus. Um die Ecke kam ein Mitarbeiter, und Heinlein ließ ihn wieder los. Auf dem Weg zur Tür blieb Heinlein stehen und drehte sich um.
»Haben Sie eine solche Feder?«
Singer lächelte überlegen und zupfte sein Hemd zurecht. Dann blickte er hoch. »Rote Liste. Schon vergessen?«
*
»Ist Frau Pelligrini schon im Haus?«, fragte Kilian den Mann an der Rezeption.
Ohne sich umzudrehen und sich zu versichern, ob ihr Schlüssel an der Wand hing, verneinte der Mann.
»Nein, Frau Pelligrini ist um diese Uhrzeit nicht im Haus.«
»Was macht Sie da so sicher?«
»Frau Pelligrini pflegt später zu kommen und früher zu gehen. Sie ist im Haus nur selten anzutreffen.«
»Und wo hält sie sich dann auf?«
»Ich nehme an, sie wird in der Residenz sein.« Also auf zur Residenz, dachte Kilian.
»Kilian.«
»Hier Heinlein. Ich bin froh, dass ich Sie noch im Auto erwische, ich dachte schon, Sie hätten Feierabend gemacht.«
»Was gibt’s?«
»Ich wollte Ihnen das Ergebnis meiner Recherchen mitteilen.«
»Und? Haben Sie was über die Feder rausbekommen?« Heinlein erzählte ihm von seiner Begegnung mit Singer.
»Korrassow? Der Korrassow in der Müllerstraße?«, fragte Kilian erstaunt.
»Richtig. Kennen Sie ihn?«
Kilian antwortete nachdenklich: »Ja, ich hab schon mal von ihm gehört.«
»Er soll, zumindest laut Aussage von diesem Kostümheini, der einzige Importeur derartiger Federn in ganz Deutschland sein.«
Kilian überlegte, welche Schritte als nächste zu unternehmen seien. »Okay, wir machen Folgendes. Ich werde morgen nach München fahren und mir diesen Korrassow vornehmen. Sie werden den Rechtsmedizinern Feuer unterm Hintern machen, dass sie mit dem Abschlussbericht und den Bluttests rüberkommen. Vergessen Sie nicht den Abzug vom Hemd.«
»Reicht es nicht, wenn wir diesen Korrassow einfach anrufen?«
»Lassen Sie das meine Sorge sein, Herr Kollege«, sagte Kilian verärgert. »Das ist eine eingeschworene Clique dort unten.
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