Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
Güteklasse 1a, garantiert aus Bodenhaltung, Bio-Eier. Alles nur Worte.
Kontrolle hieß das Zauberwort. Erzählen können sie dir alles, wenn du es nicht überprüfst. Gleich heute Abend würde er seine Claudia in die Arme nehmen und ihr danken, dass sie nicht alles hinnahm, was man ihr vorsetzte. Wenngleich sie es manchmal übertrieb. Mit dem Tag des Jüngsten Gerichts hatte sie gedroht. Wenn in der Jury, die über Himmel und Hölle entscheidet, nur ein einziges Huhn säße, prophezeite sie, dann gnade uns Gott. Ein Furcht einflößender Gedanke. Ein Huhn würde über ihn richten. Nun, dann hätte er ja gar keine so schlechten Karten mehr.
Heinlein hatte die Schnauz voll. Eier und Hühner in jedweder Form waren für ihn passé. Er streifte die Mischung aus Hühnermist, Futtermittel und Stroh, die an seinen Schuhen haftete, angeekelt an einem Grasbüschel ab, stieg in den Wagen, ließ die Hinterreifen durchdrehen und bog auf die Straße ein. Natürlich wusste keiner etwas mit dem exotischen Federvieh anzufangen. Zumindest taten sie so.
Heinlein fuhr die schmale Schotterstraße entlang, die zum Tierhotel eines Freundes führte. Auf der eingezäunten Weide galoppierte ein Fohlen hinter der Mutter her. In einem anderen Gehege grasten zirka fünfzig Schafe an einem Hang und hoben prüfend die Köpfe, als Heinlein näher kam. Auf dem Hof stolzierten zwei Pfauen, junge Hunde tollten herum und stellten einer Katze nach, die, in die Ecke getrieben, fauchend und zähnefletschend den Rücken bog.
In großzügigen Gehegen waren Hunde und Katzen untergebracht, daneben hatten Pferde freien Zugang vom Stall zur angrenzenden Weide. In der Mitte des Platzes überschattete eine riesige Linde das Gehöft. In ihren Ästen saßen zwei bunte Kakadus und stellten ihren Kamm auf. Das war Landidylle pur. Der Tierhimmel.
Heinlein wurde von einem finster dreinschauenden Schäferhund empfangen, dem es überhaupt nicht gefiel, dass ein Fremder sein Revier betrat. Er ließ die Fensterscheibe runter und redete ihm gut zu. Doch der Schäferhund war nicht zu beeindrucken.
»Hella!«, befahl ihn Hubert zurück.
Dr. Hubert Wenger war der Tierarzt in der Gegend. Er war nicht unumstritten bei den Bauern. Es kam nicht selten vor, dass er einen Bauer zur Anzeige brachte, wenn er Unregelmäßigkeiten bei der Aufzucht der Tiere feststellte.
Der Schäferhund wich aufs Wort und tapste mit eingezogenem Kopf auf Hubert zu.
»Der Schorsch«, rief er, »dass man dich auch wieder mal sieht.«
»Servus, Hubert«, sagte Heinlein und ließ sich neben ihm auf der Bank nieder, die im Schatten des Bauernhauses stand.
»Dein Zoo nimmt langsam überhand, wenn ich mir das so anschaue«, sagte Heinlein und verfolgte das rege Treiben auf dem Hof.
»Urlaubszeit ist Hochsaison. Da kommt schon was zusammen«, sagte Hubert. Er schien mit der Lage nicht unzufrieden, obwohl er auch anmerkte, dass die viele Arbeit in keinem Verhältnis zur Entlohnung stand.
Er goss aus einem blaugrau verzierten Humpen Weißwein in ein Glas und bot es Heinlein ein.
»Danke, aber ich bin im Dienst«, wehrte Heinlein ab.
»Jetzt stell dich nicht so an. Von einem Schluck wirst du nicht gleich ein schlechter Bulle.«
Heinlein nickte und stieß mit ihm an.
»E guuts Tröpfle«, lobte Heinlein den Wein.
»Ein trockner Müller. 98er. Dettelbacher Berg-Rondell. Ein echter Himmelstoß«, schwärmte Hubert.
Heinlein nahm gleich noch einen Schluck und ließ ihn langsam die Kehle hinunterlaufen.
»Also, was führt dich zu mir?«, wollte Hubert wissen. Heinlein zeigte ihm eine Kopie, auf der der Paradiesvogel abgebildet war.
»Weißt du, wer bei uns solche Vögel züchtet oder hält?«
»Eine Paradieselster«, sagte Hubert beeindruckt.
»Du kennst den Vogel?«
»Seltenes Tier. Zirka eineinhalb Meter groß. Die Schwanzfeder kann allein einen Meter lang werden. Die Männchen stellen sie auf, wenn ein Weibchen in der Nähe ist. Die Federn des Vogels sind erst 1939 im Kopfschmuck eines Häuptlings entdeckt worden, und er steht jetzt schon vor der Ausrottung. Die Eingeborenen Neuguineas verehren ihn als Boten ihrer Waldgöttin, die ihnen Glück bei der Jagd bringen soll. In Europa sind die äußerst selten. Ich glaube, nur ein oder zwei Zoos haben ein Pärchen. In Deutschland ist mir keiner bekannt.«
»Eigentlich interessieren mich auch nur seine Federn.«
»Da bist du nicht der Einzige. Das ist der Grund, wieso es nicht mehr so viele von denen gibt. Die Federn waren bei Sammlern und
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