Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
nur ein Festessen für die Waldbewohner«, erwiderte Karl, der die Reste einer abgenagten Hand in eine durchsichtige Plastiktüte steckte, sie verschloss und in einen Sack steckte.
»Viel haben wir nicht«, sagte Manfred, der herübergelaufen war und dem Förster eine Verschnaufpause gönnte.
»Wie wenig haben wir denn?«, fragte Heinlein.
»Der Förster, eigentlich sein Hund hat ihn oder sie vor einer Stunde gefunden, als er durchs Dickicht streifte. Er kam mit einem Oberschenkel im Maul zu seinem Herrchen gelaufen. Dann hat der Förster umgehend die Kollegen von der PI Land angerufen. Seitdem steht er da drüben und wartet darauf, dass wir ihn nach Hause schicken.«
Heinlein schaute zum Förster hinüber. Er war sichtlich mitgenommen. Schließlich sank er auf den Boden und nahm seinen Hund in den Arm. Im Gegensatz zu seinem Herrn war der Hund nicht lethargisch, sondern sichtlich aufgeregt. Jede Bewegung der Männer quittierte er mit einem Rucken in den Gliedern, als wollte er losrennen und selbst nachschauen, wonach sie sich bückten und was sie da einsammelten.
Die Fundorte der Leichenstücke konnten leicht ausgemacht werden. Neben jedem Fund ragte ein schwarzes Schild mit einer weißen Nummer aus dem Waldboden empor. Sie waren im Umkreis von fünfzig Metern verstreut und ragten zum Teil unter Moos und Laub hervor. Erkennbar waren sie aber auch an den Mückenschwärmen, die um sie kreisten. Heinlein schaute sich um und zählte bis zwölf.
Die EDler durchkämmten unterdessen das Unterholz. Es war ihnen anzusehen, dass heute einer dieser Tage war, an denen sie sich fragten, ob sie den richtigen Beruf gewählt hatten. Jede auffällige Erhebung am Boden wurde vorsichtig untersucht, und manche schienen erleichtert, wenn sie sich als Ameisenhaufen oder Wurzel erwies.
»Schaut alles danach aus, dass die Leiche hier zerlegt und mit Benzin oder irgendeiner anderen Flüssigkeit in Brand gesetzt wurde«, sagte Karl und schob ein paar Brennnesseln zur Seite.
Darunter war eine kleine Grube zu sehen, an deren Rändern verkohlte Holzstücke lagen. Daneben ein Holzstamm, der verdächtige Einkerbungen aufwies, die von einem Beil stammen konnten.
»Ich vermute, er hat die Teile in die Grube geworfen und angezündet«, führte Karl weiter aus. »Allerdings passt da was nicht.«
»Und zwar?«, fragte Heinlein.
»Zum einen sind die Teile verstreut oder vergraben. Und zum anderen hängt da noch Fleisch an den Knochen. Weder verbrannt noch verkohlt. Er muss gestört worden sein.«
»Was glaubst du?«, fragte Heinlein.
Karl nahm eine Plastiktüte aus dem Sack und hielt sie hoch. Im Fleisch aalten sich fette weiße Maden. Heinlein und Walter kehrten sich angeekelt ab.
»Die Jungs hatten alles, um prächtig zu gedeihen. Nahrung und Feuchtigkeit. Das bisschen Benzin hat sie nicht sonderlich gestört, oder es wurde verdünnt.«
»Worauf spielst du an?«
»Ich glaube, dass unser Mann nicht durch einen Spaziergänger gestört wurde, sondern durch das Wetter. In den letzten zwei Wochen hat es, bis auf Sonntagnacht, keinen Tropfen in der Gegend geregnet. Wenn jemand also in einem furztrockenen Wald alles daran legt, dass sein Opfer nicht erkannt wird, und dann noch mit Feuer hantiert, dann könnte er es bewusst herausgefordert haben.«
»Sprich nicht in Rätseln«, ermahnte ihn Heinlein. »Was meinst du?«
»Die Maden sind gut genährt. Geregnet hat es zwei Wochen nicht. Also muss der letzte kräftige Regenschauer unserem Mann einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Der Waldbrand, den er vielleicht anzetteln wollte, ist wegen des Regens ausgefallen. Die Leiche hatte er bereits zerlegt. Blieb ihm folglich nur noch eins: sie mit Benzin zu überschütten, anzuzünden und das, was nicht verbrennt oder was der Regen löscht, einfach zu vergraben.«
»Könnte hinhauen«, überlegte Heinlein.
»Weißt du denn schon, ob das ein Mann oder eine Frau ist?«, fragte Manfred.
»Bis jetzt noch nicht. Wenn ich den Beckenknochen endlich finden würde, wäre die Sache einfacher. Der Kopf allerdings wäre auch nicht schlecht«, sagte Karl.
»Otto. Fuß!«, schrie der Förster dem Hund nach.
Doch er war nicht mehr zu halten. Wie ein Pfeil schoss er mit eingezogenem Kopf quer über das abgesteckte Terrain und verschwand hinter einem Busch.
Die EDler und der Förster hatten Mühe, ihm zu folgen. Sie versanken bis zu den Knöcheln im Morast. Hinter einem Busch konnte man Otto bei der Arbeit hören. Er buddelte wie besessen den Waldboden
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