Tier zuliebe
fürchten mussten, verhöhnt zu werden. Einem gewissen Ambrosius Hiltl, einem aus Bayern stammenden Schneider, wurde allerdings ärztlich angeraten, dorthin zu gehen. Er litt unter Gicht und sollte sich fortan vegetarisch ernähren. Die fleischlose Kost führte nicht nur zur Heilung der Gicht innerhalb von drei Monaten, sondern Hiltl auch zum Herzen der Köchin. Sie heirateten und übernahmen später das Lokal.
Rolf Hiltl, der Urenkel, führt heute das »Hiltl« in der vierten Generation. Während die kulinarischen Highlights früher Champignonsuppe, gemischter Salat, Kartoffelklöße mit Zwiebelsauce und brauner Butter oder Apfelstrudel waren, gibt es heute »Harirasuppe«, »Springrolls mit Salat«, »Kartoffelgulasch« und »Schoko Eclair«. Auch was die Gäste betrifft, haben sich die Zeiten geändert. Früher als »Grasfresser« verspottet, geht heute jede Menge Prominenz im »Hiltl« ein und aus. Unglaubliche 2000 Gäste werden hier täglich bewirtet und das Restaurant wurde 2010 mit dem Gütesiegel »Best of Swiss Gastro« ausgezeichnet. Meine erste Frage an Rolf Hiltl, der selbst gelernter Koch ist:
Wie würden Sie einem Fleischesser, der Ihr Lokal noch nicht entdeckt hat, Lust auf vegetarisches Essen machen?
Indem ich ihm sage, dass es hier um Genuss geht und um Lebensfreude. Und indem ich ihm nicht gleich sage, dass es ein vegetarisches Restaurant ist. Ich »erwische« den [er lacht herzhaft] und dann merkt er erst, wenn er wieder rausgeht, dass es vegetarisch war … vielleicht. Vielleicht merkt er’s auch gar nicht.
Zur vegetarischen Küche in unseren Breiten: Ich weiß nicht, wie es in der Schweiz ist, aber in vielen deutschen Gaststätten sind die vegetarischen Gerichte eher einfallslos. Man lässt einfach das Fleisch weg. Woran liegt das?
In erster Linie liegt das an der Tradition. Traditionen können ja gut sein, aber eben nicht immer. In diesem Fall ist die Tradition nicht gut. Es gibt da manchmal ein gewisses Spießertum, das die Leute nicht aus ihren eigenen vier Wänden hinausschauen lässt. Die sagen: »So wie es bei uns schon immer war, so bleibt es auch.«
Was fehlt den Deutschen: Fantasie oder die Gewürze Asiens?
Auch bei dem, was fehlt, kommt Spießertum ins Spiel. Es geht ja darum, dass man andere Kulturen wahrnehmen muss. Und wenn man ein Leben lang in Deutschland war, dann hat man Deutschland gesehen – das ist ja sehr schön, aber die Welt ist noch größer. Manche Leute kapseln sich gerne ein, das ist ein Problem. Ich bin beruflich viel unterwegs gewesen und habe viele Menschen getroffen. Ich habe aber auch Freunde gehabt, die immer hiergeblieben sind – und die finde ich manchmal ein bisschen langweilig. Teilweise. Und das hat auch mit Kulinarischem zu tun. Man muss eine andere Kultur bewusst wahrnehmen und sie akzeptieren. Die Menschen dort haben Gründe, weshalb sie anders essen. Da kommen dann auch die Zutaten und Gewürze mit ins Spiel. Und da wird es dann spannend für die vegetarische Gastronomie.
Welche Lebensmittel eignen sich, um den Heißhunger auf Fleisch zu dämpfen, wenn man gerade umgestiegen ist auf vegetarisch?
Ich denke, die ganze Pasta-Linie ist sehr wichtig – für mich die Einstiegsdroge für einen zukünftigen Vegetarier. Wir haben eine große Auswahl an Pastagerichten. Nehmen wir Spaghetti mit Tomatensauce, das wohl keiner als vegetarisches Gericht bestellen würde, sondern eben als »Pasta«. Aber Spaghetti mit Tomatensauce ist ein tolles vegetarisches Gericht. Auch Pilze sind ganz wichtig, weil sie einen gewissen Biss haben. Wenn sie angebraten sind, werden sie fleischähnlich, auch vom Geschmack her. Und dann geht alles, was eine gute Konsistenz hat. Ich denke an Mais: gebratene Polenta oder Maisschnitten, die man mit dem Messer dann zerteilen muss. Das ist ja das, was die Männer beim Fleisch so mögen, weil sie mit diesem »Säbel« da ran müssen.
Mit welchen Gewürzen kochen Sie am liebsten vegetarisch?
Mit Currys – das sind Gewürzmischungen – in allen Variationen. Viele Länder haben eigene Currys. Wir nehmen besonders gerne welche aus Thailand, Malaysia und natürlich aus Indien. Damit lassen sich ausgezeichnete Variationen kochen. Ich persönlich mag auch frischen Koriander. Aber damit polarisiert man ein bisschen.
Was gibt es an Tipps und Tricks, um Gemüse zu verfeinern?
Als gelernter Koch darf ich das mal so sagen: Man sollte die verschiedenen Grundzubereitungsarten von Gemüse beherrschen. Also zum Beispiel Blanchieren,
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