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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Klaus
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Käse fürs Wochenend-Frühstück ist! Rein in den Einkaufswagen und weiter durch die Gemüseabteilung und vor allem durch die für asiatische Lebensmittel. Rote Linsen und Kichererbsen, man kann nie genug davon haben! Meine langjährige Spaghetti-mit-Tomatensauce-Sucht wird gerade abgelöst durch das Verlangen nach indischen Speisen mit exotischen Gewürzen.
    Als mein Freund und ich am nächsten Morgen am Frühstückstisch sitzen, schnappe ich mir meine Entdeckung, die Schwarzwaldcreme. Sie schmeckt! Was da wohl alles drin ist? Ich lese nach und mein Blick fällt auf das Wort »Gelatine«. Und jetzt ist es passiert: Ich habe Gelatine gegessen; unwissentlich, unwillentlich, aber als Vegetarierin. Ich werde es überleben, so viel steht in dem Moment fest. Das eigentlich Interessante ist, dass ich plötzlich von einem neuen Gefühl überrascht werde: Ekel! Juchhu! Endlich ist er da! Ich würde tatsächlich am liebsten das Brot in meinem Mund mitsamt der Gelatine ausspucken, verkneife es mir aber, denn ich möchte nicht, dass mein Freund denkt, ich sei nicht nur Vegetarierin, sondern auch noch hysterisch geworden. Also schlucke ich den Bissen tapfer runter.
    Wenn das echter Ekel war, dann könnte mein Leben ab sofort einfacher werden. Ich werde nicht mehr hadern und zaudern, dass mir irgendein vermeintlicher oder tatsächlicher Genuss entgeht. Wenn ich mich vor Produkten vom toten Tier ekle, werde ich freiwillig einen Riesenbogen drum herum machen. Aber kann ich mir trauen? Ekle ich mich wirklich oder rede ich mir das nur ein? Tatsache ist, dass mir die Creme tatsächlich nicht mehr schmeckt, nachdem ich weiß, dass sie Gelatine enthält. Zudem sehe ich unangenehme Bilder vor meinem inneren Auge, Bilder eines Breis aus ausgekochten Knochen und Knorpeln.
    Diesem überraschenden Phänomen des plötzlichen Ekels möchte ich auf den Grund gehen. Der Neurobiologe Professor Gerald Hüther von der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen wird mir hoffentlich weiterhelfen. Er arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Hirnforschung und untersucht die Auswirkungen von allen möglichen Einflüssen auf das Gehirn: die von Angst, Stress, Ernährung, Drogen, Psychopharmaka, Mediennutzung usw. Um herauszufinden, ob mein neuer Ekel »echt« und von Dauer ist, möchte ich zunächst von ihm wissen, was es mit diesem Gefühl überhaupt auf sich hat:
    Wie entsteht eigentlich Ekel?
    Grundsätzlich ist Ekel ein soziales Gefühl. Ekel hat man zwar individuell, aber die Mimik, die man dabei aussendet, wird von jedem anderen erkannt. Insofern zeigt man durch die Mimik, die übrigens automatisch entsteht, den anderen, dass gerade ein Ekelgefühl entsteht – es ist ein soziales Signal. Es warnt die anderen, dass sie aufpassen sollen, sich an bestimmte Sachen heranzuwagen. Das hat Menschen schon Leben gerettet.
    Es kann aber doch sein, dass man sich vor Dingen ekelt, die früher einmal schädlich waren, aber heute nicht mehr?
    Genau. Der Ekel bleibt zwar nach wie vor ein soziales Signal, aber wovor man sich ekelt, das kann sich ändern. Der Auslöser des Ekels ist eine soziale Erfahrung – das hängt von der Kultur ab. Zum Beispiel ekeln sich die Chinesen sehr davor, dass wir verfaulte Milch essen und das auch noch Käse nennen!
    Wie kann man nun erklären, dass ein Kind, das in einer Fleischesser-Familie aufwächst, sich trotzdem irgendwann vor Fleisch ekeln kann?
    Das wäre genau zu prüfen. Es gibt natürlich Unverträglichkeiten. Oder Geschmacksnoten, die einem aus irgendwelchen Gründen sehr unangenehm sind. Zum Beispiel mag kein Kind Bier. Das ist ekelig, denn es ist bitter. Und Bitteres ist grundsätzlich ekelig, das ist angeboren. Aber man kann bestimmte Auslöser, die früher mal Ekel erzeugten bzw. früher mit Ekel assoziiert waren, später durch neue Erfahrungen überlagern, sodass man sich dann nicht mehr vor Bier, Wein oder Kaffee ekelt. Umgekehrt kann man Dinge, vor denen man sich eigentlich gar nicht von Natur aus ekelt, ekelig machen. Ob das geschieht oder nicht hängt damit zusammen, in welcher sozialen Gemeinschaft man aufwächst. Ekel ist etwas, das auch eine Gruppenzugehörigkeit signalisiert. D. h., ich ekele mich am liebsten vor etwas, vor dem sich andere auch ekeln. Leute, mit denen ich mich verbunden fühle. Innerhalb einer Gruppe, die sich verbunden fühlt, ist das auch sehr sinnvoll, wenn das Signal, dass etwas ungenießbar und damit ekelig ist, weiter gegeben wird.
    Ist es grundsätzlich möglich, dass ich

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