Tier zuliebe
Wurstduftglocke und es riecht, ich muss es zugeben, immer noch lecker. Warum gibt es hier eigentlich noch keinen Tofu-Würstchenstand? Die könnte man doch genauso als »Veggie Münschter Wurscht« mit Zwiebeln, Ketschup, Senf und Curry essen – wahrscheinlich würde man kaum einen Unterschied schmecken und müsste keine Angst vor Knorpel haben … Aber egal. Statt Wurst suchen wir die Zutaten für zwei vegetarische Gerichte: Pilze mit Semmelknödel für Samstag und das Kichererbsencurry für Sonntag.
Fazit am Montag: Ich kann mich nicht festlegen, welches der beiden Gerichte leckerer war. Aber ich weiß, dass ich zu keinem Zeitpunkt Fleisch vermisst habe. Allerdings war die Suche nach einem vegetarischen Gericht für unsere verwöhnten Gaumen nicht einfach. Deutsche Kochbücher hatten am Ende nicht viel zu bieten, denn es fehlte häufig das »gewisse Etwas«. Mir lief beim Lesen einfach nicht »das Wasser im Munde« zusammen. Aber das ist wohl Geschmackssache. Ansprechende Gerichte finde ich eher in den Küchen anderer Kulturen, allen voran der indischen. Hier habe ich nie den Eindruck, der sich mir bei deutschen Rezepten oft aufdrängte, als würde man das Fleisch eben weglassen. Wie kommt es zu diesem Unterschied? Haben wir einfach (noch) keine vegetarische Esskultur?
Paris, Berlin, London, Zürich
In den Großstädten macht sich die vegetarische Küche allmählich breit. Vor allem die Spitzenköche scheinen diese Sparte für sich entdeckt zu haben, immerhin gibt es weltweit inzwischen rund hundert vegetarische Restaurants mit drei Sternen. Doch wer denkt, vegetarisch sei billiger und man könnte sich so auch mal den einen Besuch im Sternerestaurant leisten, der hat sich getäuscht: Das Menü im Pariser L’Arpège, das überwiegend vegetarische Gerichte anbietet, kann zwei Personen gut 700 Euro kosten. Maître Alain Passard verwendet nur Gemüse, das er an drei verschiedenen Standorten ohne Chemie und ohne den Einsatz von Maschinen anbauen lässt. 40 Tonnen dieses Öko-Gemüses verarbeitet er in seinem Restaurant pro Jahr. Passard sorgte für eine Überraschung, als er dem Guide Michelin im Jahr 2000 mitteilte, dass er sich ab sofort auf die vegetarische Küche spezialisieren würde. 20 Die Umstellung erschien dem Sternekoch notwendig: Er fürchtete um seine Kreativität und suchte eine neue Herausforderung. Dass vegetarisch zu kochen eine solche Herausforderung sein kann, habe ich inzwischen selbst erlebt. Passard hat sich übrigens auf Kombinationen aus Gemüse und Früchten spezialisiert.
Der führende Koch der Berliner Gemüseküche und Inhaber des »Margeaux«, Michael Hoffmann, geht einen anderen Weg: Er setzt auf Eingemachtes und kocht jährlich 3000 bis 5000 Gläser ein. Besonders begeistert ist er von in Vergessenheit geratenen Gemüsesorten wie Hörnchenkürbis oder Haferwurzel. 80 Prozent seiner Produkte stammen aus eigener Produktion – sein 2000-Quadratmeter-Garten liegt 60 Kilometer vor Berlin. Auch bei Michael Hoffmann kann man noch einige Fleischgerichte bestellen, doch berühmt ist er für seine vegetarischen Menüs mit außergewöhnlichen Kreationen wie »Rüben mit Malabar-Spinat und Trauben«, »Aubergine und Topinambur mit Schnittlauchemulsion« oder »Texturen von Sellerie und Algen«. Das klingt doch ganz anders als »Grünkohl mit Kartoffeln«.
Ein Paradies für Vegetarier ist London. Jeder zehnte Einwohner isst hier vegetarisch und Lokale mit dem entsprechenden Angebot zu finden, ist nicht schwer. Im zentralen Theater-Viertel West End zum Beispiel, gibt es mehr als zwanzig vegetarische Restaurants, die Hälfte davon wiederum ist sogar vegan. Ein Lokal, das wegen seines ehemals fleischbegeisterten Küchenchefs Aldo Zilli Schlagzeilen macht, ist das »Zilli Green« im Szene-Viertel Soho. Zilli hätte vor zehn Jahren nicht geglaubt, dass er sich einmal der vegetarischen Küche zuwenden würde. Doch sein Chefkoch Enzo hat ihn schließlich bekehrt. Fleischfreak Zilli hat sich von Würstchen verabschiedet und setzt nun in einem seiner drei Lokale auf 100 Prozent vegetarischen Genuss: Gerichte wie: »Trüffel-Spargel-Risotto« oder »Pistazien-Quinoa-Salat« werden hier serviert.
Das älteste vegetarische Restaurant Europas steht allerdings in Zürich. Eröffnet wurde es im Jahr 1898 unter dem nicht gerade einladenden Namen »Vegetarierheim und Abstinenz-Café« – im Volksmund hieß es damals schlicht »Wurzelbunker«. Die Gäste nahmen vorsichtshalber den Hintereingang, da sie sonst
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