Tier zuliebe
dass sie häufig Leserfragen von der »anderen Seite« bekommt: von Vegetariern, die wissen wollen, ob sie als Gastgeber ihren Gästen womöglich Fleisch servieren müssen . Aber auch hier fällt die Antwort eindeutig aus: »Natürlich nicht.«
Heißhunger
Im Kühlschrank liegen Weißwürste. Ich habe sie da nicht reingetan, Nicolas muss sie angeschafft haben. Eigentlich haben mich Würste immer kaltgelassen. Seit BSE und Berichten über undefinierbare Inhaltsstoffe war ich ganz und gar nicht mehr scharf auf Wurst. Mit einer Ausnahme: der »Münschter Wurscht«, deren herrlicher Duft jeden Samstag über den Freiburger Markt weht. Fünf Stände nebeneinander und immer endlose Schlangen davor. Hier wurde ich manchmal schwach: Statt Frühstück oder Mittagessen einfach eine »Münschter« im Brötchen mit gebratenen Zwiebeln. Und Curry, Ketschup und Senf drauf. Immerhin nicht jedes Wochenende.
Jetzt also die Weißwürste in meinem Kühlschrank, die auf einmal sehr verführerisch aussehen. Eben habe ich auch noch einen TV-Werbespot mit Jörg Pilawa gesehen, in dem er ein lecker aussehendes Fleisch-Pastetchen genießt … Jetzt ist mir so richtig nach etwas Deftigem zumute. Das irritiert mich. Heißhunger kenne ich nur in Bezug auf Süßigkeiten, vornehmlich Schokolade. Dafür bin ich früher schon mitten in der Nacht aufgestanden und zur Tankstelle gefahren. Könnte sich so ein Verlangen, verursacht durch den Verzicht, womöglich bei Fleisch und Wurst einstellen? Ähnlich wie die unbändige Sucht nach Zigaretten bei einem, der das Rauchen aufgibt. War es denkbar, dass man sich plötzlich nicht mehr beherrschen kann oder will, weil das Verbotene lockt? Das einzig Erstrebenswerte? Ich sehe Dagobert Duck vor mir – doch statt der Dollarzeichen blinken Weißwürste in seinen Augen.
Erst eine Passage im Buch Vegetarisch leben von Armin Risi und Ronald Zürrer holt mich von dem Wurst-Trip wieder herunter. Bezüglich der Umstellung auf vegetarische Kost schreiben die Autoren, dass es nicht einfach ist, auf vegetarische Kost umzustellen − wegen der Gewohnheit, wegen des sozialen Drucks. Aber: eben nicht nur deshalb. Es könnten durchaus auch Entzugserscheinungen auftreten, ähnlich wie bei einer Sucht. Fleisch soll chemische Zusatzstoffe enthalten, die eine physische Abhängigkeit erzeugen. Es sei möglich, dass man ein unbändiges Verlangen nach Fleisch empfinde. Nervosität, Gereiztheit und das Gefühl, »nicht richtig gegessen zu haben«, könnten sich in der Anfangszeit des Fleischverzichts einstellen.
Das trifft es. Auch wenn ich nie wirklich viel Fleisch gegessen habe: Das Gefühl, es fehlt etwas, wenn man nur Gemüse und Kartoffeln oder Reis zu sich nimmt, kenne ich gut. Man bleibt einfach unbefriedigt. Ob man es wirklich ist oder nur meint, sich so fühlen zu müssen, weil einem Pseudoweisheiten wie »Der Mensch braucht etwas Nahrhaftes« oder »Ohne Fleisch ist man gleich wieder hungrig« schon in Kindertagen in den Kopf gehämmert wurden? Jedenfalls spüre ich einen mir bisher unbekannten Heißhunger auf die doofen Weißwürste. Das wiederum macht mich jetzt regelrecht aggressiv.
Um mich gegen das unwillkommene Verlangen zu wehren, werde ich mich noch genauer mit Wurst und Fleisch beschäftigen. Denn wenn man weiß, was da alles drin ist, vergeht einem doch sicher der Appetit. Eine erste Abschreckung finde ich gleich in Vegetarisch leben . Da heißt es, Fleisch soll Zerfallsprodukte enthalten: »Nach der Tötung eines Tieres beginnt sogleich der Prozess der Verwesung seines Fleisches, was die Zersetzung von Toxinen – Leichengift – nach sich zieht.« Um halb verweste Mäuse oder Vögel mache ich draußen gewöhnlich auch wegen des Leichengifts einen großen Bogen. Und das habe ich jetzt in meinem Kühlschrank? Um schnell etwas über die Zusammensetzung von Wurst zu erfahren, starte ich eine kleine Internet-Recherche und finde in verschiedenen Auflistungen Zutaten wie Fleisch, Speck, teilweise Blut und Innereien, Salz und andere Gewürze, die in Därme, Blasen oder Mägen gestopft und konserviert werden. Nicht sehr appetitlich.
Natürlich ist mir das nicht gänzlich neu, aber wenn ich früher in die »Münschter« gebissen habe, habe ich vorsichtshalber an was anderes gedacht. Klar kam hin und wieder die Frage hoch: Was ist das eigentlich?, wenn man beispielsweise auf etwas Knorpeliges biss. Und Innereien hätte ich normalerweise auch nie gegessen, wären sie in der Wurst nicht so geschickt »anonym«
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