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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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hatte mich von ihm auch überreden lassen, den Whisky ab und zu mit einem Glas Bier hinunterzuspülen; er sagte, das gewährleiste ein gesundes Gleichgewicht zwischen flüssiger und fester Nahrung.
    Und zuletzt diese Schokoladencreme – das war der größte Fehler gewesen.
    Und jetzt wurde ich nicht nur leicht geschüttelt, ich wurde von links nach rechts geschleudert wie eine Erbse in der Trommel, während der Bentley durch die Gegend schlitterte und sich ein paarmal auch um die eigene Achse drehte. Es dauerte nicht lange, und ich fühlte mich sterbenselend. Und genau wie jemand, der seekrank ist und jedes Interesse daran verloren hat, ob das Schiff untergeht oder nicht, ließ ich alles gleichgültig über mich ergehen. Mit geschlossenen Augen, die Füße gegen den Boden gestemmt, gab ich mich ganz meinem Leiden hin.
    Ich bemerkte kaum, daß wir inzwischen schon wieder bergab fuhren und durch Bowes brausten. Jetzt bestand kaum noch Gefahr, daß wir die Nacht im Wagen verbringen mußten, aber Granville drückte weiter das Gaspedal durch, und wir schlitterten über die hartgefrorene Erde, während mir ständig übler wurde.
    Wie gern hätte ich meinen Kollegen gebeten, einen Augenblick anzuhalten, damit ich mich still am Straßenrand übergeben konnte, aber kann man eine solche Forderung an einen Mann richten, dem Völlerei nicht das geringste ausmachte? Der auch jetzt fröhlich und unbekümmert schwatzte und sich mit einer Hand die Pfeife stopfte?
    Ich war noch mit diesen Überlegungen beschäftigt, als der Wagen hielt.
    »Wir sagen Zoe nur kurz guten Abend«, sagte Granville.
    »Wie bitte?« murmelte ich.
    »Wir gehen auf einen Sprung hinein.«
    Ich blickte mich um. »Wo sind wir?«
    Granville lachte. »Zu Hause, alter Knabe. Ich sehe Licht, Zoe ist also noch auf. Sie müssen mitkommen und rasch eine Tasse Kaffee trinken.«
    Ich rappelte mich mühsam vom Sitz hoch. Während ich mich erst einmal an den Wagen lehnen mußte, ging mein Kollege leichtfüßig zur Tür und klingelte. Er ist munter wie ein Eichhörnchen, dachte ich erbittert, als ich hinter ihm her wankte. Schon öffnete sich die Tür, und Zoe Bennett stand da, lächelnd und mit strahlenden Augen, schön wie immer.
    »Oh, Mr. Herriot!« rief sie. »Wie nett, Sie wiederzusehen!«
    Mit hängenden Schultern und blassem Gesicht, der Anzug völlig verknautscht, starrte ich sie stumm an und torkelte an ihr vorbei ins Haus.
     
    Am nächsten Morgen rief Granville mich an und berichtete, wir brauchten uns keine Sorgen zu machen: Maudie habe schon ein wenig Milch geschleckt und es ginge ihr gut. Ich verzichtete darauf, ihm meinerseits zu berichten, daß ich zu mehr an diesem Morgen auch nicht imstande gewesen war.
    Der Zufall wollte es, daß ich am Vormittag zu einem weit abgelegenen Gehöft mußte. Mein Weg führte mich an der Stelle vorbei, wo die North Road abzweigte. Ich hielt an und warf einen Blick auf die lange, schneebedeckte Straße, die sich ins Hochland hinaufschlängelte. Ich war gerade dabei, den Motor wieder anzulassen, da winkte mir ein Mann von der Straßenwacht zu.
    »Sie wollen doch wohl nicht übers Moor von Bowes fahren?« fragte er.
    »Nein, nein. Hab nur einen Moment angehalten.«
    Er nickte erleichtert.
    »Wissen Sie, die Straße ist nämlich nicht befahrbar. Schon seit zwei Tagen ist kein Wagen dort rübergekommen.«

Kapitel 17
     
    Eine erstaunlichere Persönlichkeit als Roland Partridge war in Darrowby wohl schwerlich zu finden. Dieser Gedanke ging mir zum soundsovielten Male durch den Kopf, als ich ihn durch das Fenster seines kleinen Hauses, schräg gegenüber von unserer Praxis, spähen sah.
    Er pochte an die Scheibe und winkte mich heran. Die Augen hinter den dicken Brillengläsern blickten sorgenvoll. Gleich darauf öffnete er mir die Tür, und ich trat von der Straße direkt in sein Wohnzimmer. Und wie immer blickte ich mich auch heute mit einem gewissen Staunen darin um; die anderen Bewohner dieser Häuserzeile waren meist Landarbeiter und ganz herkömmlich eingerichtet; aber dieser Raum war ein Atelier.
    Vor dem Fenster stand eine Staffelei, und die Wände waren von oben bis unten mit Bildern bedeckt. Überall stapelten sich ungerahmte Ölgemälde, und die wenigen, reichverzierten Stühle sowie der mit bemaltem Porzellan und anderen Nippes beladene Tisch unterstrichen noch die künstlerische Atmosphäre.
    Die Erklärung war ganz simpel: Mr. Partridge war Maler. Das Besondere an der Sache war nur, daß dieser in eine Samtjacke

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