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Tiere

Tiere

Titel: Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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wusste, wo sie wohnen.
    Das machte mich ein bisschen traurig. Andererseits wäre ich wahrscheinlich sowieso nie einfach so zu ihnen gegangen. Ich konnte ja kaum bei ihnen auftauchen und sagen: «Hier bin ich, was gibt’s zum Essen?» Aber es wäre trotzdem etwas gewesen, worauf ich mich hätte freuen können. Einfach zu wissen, dass ich sie besuchen könnte, wenn ich wollte. Doch ich war nicht lange traurig. Ich konnte mich immer noch auf den nächsten Tag und auf Cheryl freuen. Und auf Karen. Das war viel besser als irgendein langweiliges Essen. Wahrscheinlich hätte es bei ihnen sowieso Sandwiches mit Tomaten und Büchsenfleisch gegeben, und die kann ich nicht ausstehen.
    Aber es war schön, eingeladen zu werden.

Kapitel 14
    Z u Hause machte ich mir ein Käsesandwich mit Gurken. Richtige Sonntagsessen gibt es bei mir nicht mehr, aber als mich die Frau gefragt hatte, ob jemand für mich kocht, musste ich daran denken, wie gut das früher war. Wir aßen sonntags immer erst um drei Uhr, weil mein Papa bis um zwei hinter der Theke arbeitete. Meine Mama schob den Braten immer ungefähr zu der Zeit in den Ofen, wenn wir den Pub aufmachten, und die Leute sagten jedes Mal, wie gut es riecht. Das war auch so. Im ganzen Pub verbreitete sich der leckere Bratengeruch. Deshalb sagte mein Papa, wir sollen einen größeren Braten kaufen und ihn schon am Morgen in den Ofen schieben, damit wir Sandwiches anbieten können. Meine Mama bereitete sie auf Bestellung zu, und das Brot war immer ganz feucht vom Bratensaft. Die Männer, die ihre Schicht beendet hatten, kauften sie nicht, weil sie nach Hause gingen und dort aßen, aber diejenigen, die noch zur Arbeit mussten, nahmen welche mit. Sie gingen weg wie warme Semmeln. Sie sahen lecker aus, aber ich durfte sie nie essen, weil meine Mama meinte, dass ich dann zum Mittagessen keinen Hunger mehr hätte.
    Das Problem war nur, dass der Braten schon kalt geworden war, wenn wir selbst zum Essen kamen. Einmal bliebennur noch fettige Knorpel übrig, nachdem meine Mama Sandwiches gemacht hatte. Wir mussten Würstchen essen, was für ein Sonntagsessen meiner Meinung nach ein bisschen wenig ist. Später, als sie keine Sandwiches mehr machte, weil sonntags zur Mittagszeit sowieso keine Gäste kamen, aßen wir statt einem Braten immer Würstchen. Damals hatte ich irgendwann genug von ihnen, aber wenn ich jetzt daran dachte, wünschte ich, ich hätte welche gekauft. Da ich aber keine gekauft hatte, legte ich nur ein paar mehr eingelegte Gurken auf mein Sandwich.
    Es war zwar noch bewölkt, aber ziemlich warm, deshalb dachte ich, ich esse draußen im Biergarten. Erst als ich mich hingesetzt hatte und mit meinem Sandwich begann, schaute ich zur Ecke am Tor und erinnerte mich an den Mann und die Frau, die in der vergangenen Nacht dort gewesen waren.
    Es versetzte mir einen komischen Stich. Ich hatte so viel um die Ohren gehabt, dass ich die beiden ganz vergessen hatte, doch wenn ich jetzt daran dachte, wurde ich wieder sauer. Nur weil es ein Pub ist, glauben die Leute, sie können sich benehmen, wie sie wollen. Was man selbst will und wie es einem geht, ist ihnen völlig egal. Es ist so, als wenn man nur da wäre, um das zu tun, was sie wollen.
    Deswegen habe ich das Dicke gekriegt. Ich hatte gerade Fernsehen geguckt, aber weil es schon spät war, wollte ich ins Bett gehen. Da hörte ich unten Lärm. Es war total laut und klang, als würde jemand gegen die Pubtür hämmern. Ich hatte Angst. Da ich nicht wusste, wer es war, ging ich ins Schlafzimmer meiner Eltern, um nachzuschauen. Von dort konnte ich aber auch nicht sehen, wer vor der Tür stand, und mir war klar, dass ich runtergehen musste, ob ich wollteoder nicht. Ich konnte ja nicht einfach oben bleiben und lauschen.
    Als ich in die Schankstube kam, war der Radau noch lauter geworden und die Tür bebte regelrecht. Ich dachte, sie würde gleich kaputtgehen. Es war wie in einem Horrorfilm, wenn das Monster versucht reinzukommen, und gerade als mir das einfiel, hörte das Hämmern auf. Das war noch schlimmer. Wenn das in einem Film passiert, weiß man genau, dass etwas Schlimmes geschehen wird und das Monster zum Beispiel durchs Fenster kommt oder so, und ich konnte nicht anders und schrie: «Hau ab! Lass mich in Ruhe!»
    Es begann wieder zu hämmern. Aber jetzt begann es auch zu rufen und wollte reingelassen werden. Man konnte kaum verstehen, was es rief, aber ich war erleichtert, weil ich jetzt wusste, was es war. Nur ein betrunkenes Schwein.

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