Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
würde oder auch nicht – und danach zum Essen nach Pellestrina zu fahren. »Deshalb ist nie jemand in Rom, wenn abgestimmt wird«, murmelte Brunetti, während er den Hörer auflegte. Natürlich konnte er auch einfach beim Magistrato alle Acque anrufen und sich nach den Gezeiten erkundigen, doch zog er es vor, keine Informationen, die seine Ermittlungen betrafen, nach außen dringen zu lassen.
Er sprach kurz mit Patta, der berichtete, er habe anstelle des Questore mit der Presse gesprochen und die üblichen Versicherungen abgegeben, dass man verschiedenen Hinweisen nachgehe und den Fall sicher bald abschließen werde. Da seit vier Wochen Flaute herrschte – nur wenige Kapitalverbrechen in der Region –, stürzte sich die ausgehungerte Meute natürlich auf diesen Fall. Und wie erfrischend für die Leserschaft, zur Abwechslung einmal ein männliches Opfer vorgesetzt zu bekommen; Frauen waren seit Jahresbeginn offenbar zum Abschuss freigegeben: Tagtäglich wurde eine in Italien ermordet, meist von ihrem Exfreund oder Exmann, wobei der Täter – den Medien zufolge – stets von einem »raptus di gelosia« umnebelt war, eine Ausrede, die dann auch regelmäßig als wesentliches Argument der Verteidigung verwendet wurde. Sollte Brunetti jemals mit Scarpa die Geduld verlieren und ihn vorsätzlich verletzen, würde auch er einen Eifersuchtsanfall als Entschuldigung anführen, obwohl er sich kaum vorstellen konnte, warum er auf den Tenente eifersüchtig sein sollte.
Kurz nach sechs rief Pucetti an; es sei ein technisches Problem aufgetreten, aber jetzt habe er ein paar Standbilder aus dem ersten Video herauskopiert, die er in etwa einer Stunde vorbeibringen könne. Brunetti sagte, das könne bis zum nächsten Morgen warten.
Er widerstand dem Drang, bei Signorina Elettra nachzufragen, ob sie schon etwas von ihrem Freund im Gesundheitsamt erfahren habe; er wusste, sie würde es ihn umgehend wissen lassen, war aber trotzdem ungeduldig.
Zur Untätigkeit verdammt, schaltete Brunetti seinen Computer ein und tippte mucche in die Suchmaske; was hatten Vianello und Signorina Elettra nur an diesen armen Viechern zu beanstanden? Seine Familie lebte seit Menschengedenken in Venedig, also gab es keine atavistischen Erinnerungen an irgendeinen Urahnen, der im Stall hinterm Haus eine Kuh gehalten hatte, und daher auch keine Erklärung für die Sympathie, die Brunetti für diese Tiere empfand. Er hatte nie eine gemolken; soweit er sich erinnerte, hatte er allenfalls mal bei Wanderungen in den Bergen einer Kuh das Maul getätschelt, und die hatte friedlich hinter einem Zaun gestanden. Paola, noch mehr Stadtkind als er, gab offen zu, dass Kühe ihr Angst machten, aber das war Brunetti schon immer unbegreiflich. Für ihn waren sie perfekte Milchmaschinen: Am einen Ende ging Gras hinein, am anderen kam Milch heraus: großartig.
Er klickte auf den nächstbesten Artikel in der Trefferliste und begann zu lesen. Nach einer Stunde schaltete ein erschütterter Brunetti den Computer aus und presste die wie zum Gebet aneinandergelegten Hände an seine Lippen. Das war es also, jetzt verstand er, warum Chiara zur Vegetarierin geworden war und sich, auch wenn sie bei Brathähnchen gelegentlich rückfällig wurde, so hartnäckig weigerte, Rindfleisch zu essen. Genau wie Vianello und Signorina Elettra. Er fragte sich, wieso er das alles nicht gewusst hatte. Was er da eben gelesen hatte, war doch offenbar allgemein bekannt; jedenfalls in gewissen Kreisen.
Er hielt sich für durchaus informiert, und doch hatte er sich vieles davon nicht träumen lassen. Die Zerstörung der Regenwälder, um Platz für die Rinderzucht zu gewinnen: Natürlich hatte er davon gehört. Rinderwahn und Maul- und Klauenseuche: Auch das war ihm nicht unbekannt, ging ja immer wieder mal durch die Medien und war anscheinend nicht auszurotten.
Der ausführliche Bericht eines südamerikanischen Viehzüchters, der an einem Fortbildungsprogramm einer US -amerikanischen Universität teilgenommen hatte, hatte ihm endgültig ein Licht aufgesteckt. Der Mann schrieb von Tieren, die schon krank zur Welt kamen, nur durch massiven Einsatz von Antibiotika und Hormonen am Leben erhalten und fruchtbar gemacht wurden und, wenn sie starben, immer noch krank waren. Der Autor schloss mit der Bemerkung, er selbst würde niemals Rindfleisch essen, es sei denn, es stamme von einem seiner eigenen Tiere und er habe Aufzucht und Schlachtung selbst überwacht. Wie Paola, die an diesem Tag zu viel über
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