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Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sprechen«, sagte Brunetti.
    Plötzlich hatte der Junge es eilig. »Das wäre Signora Baroni. Ich gehe sie holen.« Er sprang auf und öffnete die Tür hinter seinem Tisch. Er lief einen kurzen Korridor hinunter und bog nach rechts in ein Zimmer ein. Aus dem Flur drangen Tiergeräusche: Bellen und so etwas wie ein Trommeln.
    Nach weniger als einer Minute kam eine Frau aus dem Zimmer. Ohne die Tür hinter sich zu schließen, steuerte sie auf Brunetti zu, der am nächsten stand. Ihrem Gesicht nach mochte sie eine Generation älter sein als der Junge vom Empfang, doch ihren Bewegungen war dies nicht anzumerken.
    »Clara Baroni.« Sie gab Brunetti die Hand und nickte den anderen zu. »Ich bin Dottor Navas Assistentin. Luca sagt, Sie kommen seinetwegen. Wissen Sie, wo er geblieben ist?«
    Brunetti war die Situation peinlich, wie sie zu viert da herumstanden. Der Raum schien denkbar ungeeignet für das, was er zu sagen hatte, aber er sah keine andere Möglichkeit. »Wir haben eben mit Dottor Navas Frau gesprochen«, fing er an. Und falls das noch nötig war: »Wir sind von der Polizei.«
    Sie nickte verständnisvoll.
    »Der Dottore wurde getötet.« Eine bessere Formulierung fiel ihm nicht ein.
    »Wie?«, fragte sie entsetzt. »Bei einem Unfall?«
    »Nein, Signora. Kein Unfall«, wich Brunetti aus. »Er hatte keine Papiere bei sich, deshalb hat es so lange gedauert, ihn zu identifizieren.« Bei seinen Worten wurde ihr Blick leer, als zöge sie sich in ihr Inneres zurück. Sie stützte sich mit einer Hand am Empfangstisch ab. Keiner der Männer sagte etwas.
    Nach einer kleinen Ewigkeit richtete sie sich auf und sah Brunetti an. »Kein Unfall?«, fragte sie.
    »Es sieht nicht danach aus, Signora«, sagte Brunetti.
    Sie schüttelte sich wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt, und fragte beklommen: »Was ist passiert?«
    »Er wurde Opfer eines Verbrechens.«
    Sie biss sich in die Oberlippe. »War er der Mann in Venedig?«
    »Ja«, sagte Brunetti und fragte sich, warum sie sich, falls sie das geahnt haben sollte, nicht bei ihnen gemeldet hatte. »Warum fragen Sie das, Signora?«
    »Weil seit zwei Tagen niemand etwas von ihm gehört hat. Nicht mal seine Frau weiß, wo er ist.«
    »Haben Sie uns angerufen, Signora?«
    »Die Polizei?«, fragte sie aufrichtig erstaunt.
    Wen sonst?, hätte Brunetti am liebsten gefragt, begnügte sich aber mit einem schlichten »Ja«.
    Als werde sie sich der Anwesenheit der drei Männer erst jetzt richtig bewusst, sagte sie: »Vielleicht sollten wir nach hinten in mein Büro gehen.«
    Sie folgten ihr durch den Flur, wo der Tiergeruch noch stärker wurde, in das Zimmer hinten rechts. Auf einem Stuhl an einer Wand saß der Junge von vorhin mit einem schwarzweißen Kaninchen auf dem Schoß. Das Tier hatte nur ein Ohr, machte ansonsten aber einen wohlgenährten und gepflegten Eindruck. Auf dem Fensterbrett dahinter schlief eine große graue Katze in der Sonne. Als sie eintraten, machte sie ein Auge auf, dann aber gleich wieder zu.
    Der Junge setzte das Kaninchen auf den Fußboden und verließ wortlos den Raum. Das Kaninchen hopste zu Vianello rüber, schnupperte an seinem Hosenbein und dann an Vezzanis und Brunettis. Offenbar unzufrieden, hoppelte es zu Signora Baroni und erhob sich auf die Hinterbeine. Brunetti stellte verwundert fest, dass die Vorderpfoten ihr bis über die Knie reichten.
    »Na dann komm, Livio«, sagte sie und hob es auf. Das Tier machte es sich in ihren Armen bequem. Sie nahm an ihrem Schreibtisch Platz. Vianello überließ die beiden freien Stühle den Commissari und lehnte sich ans Fensterbrett. Kaum hatte Signora Baroni sich gesetzt, war das Kaninchen auf ihrem Schoß eingeschlafen.
    Als habe es keine Unterbrechung gegeben, sagte die Frau, während sie den Bauch des Kaninchens kraulte: »Ich habe nicht angerufen, weil Andrea hier bei uns erst einen Tag gefehlt hat. Ich wollte erst noch einmal bei seiner Frau nachfragen, da standen Sie vor der Tür.« Sie blickte von dem Kaninchen auf und sah die drei Männer der Reihe nach an, als wolle sie sich vergewissern, dass sie ihr zuhörten und Verständnis für sie aufbrachten. »Und als Sie dann sagten, er sei Opfer eines Verbrechens geworden, musste ich natürlich sofort an den Mann in Venedig denken.«
    »Wieso ›natürlich‹, Signora?«, fragte Brunetti freundlich.
    Sie begann wieder das Kaninchen zu kraulen, das sich in ihren Schoß drapiert hatte wie ein schlaffes Stück Stoff. »Weil in der Zeitung stand, der Mann sei noch nicht

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