Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
wir kürzlich miteinander sprachen, sagten Sie, etwas habe ihm Sorgen gemacht oder ihn beunruhigt. Ich möchte wissen, ob er Ihnen etwas über den Grund für… für seine Unruhe gesagt hat.«
Diesmal widerstand sie der Lockung des Küchentuchs. Stattdessen griff sie an ihr Uhrarmband, hakte es auf und gleich wieder zu. »Ja, ich würde sagen, er war beunruhigt, aber ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass ich nichts davon hören will – es war das letzte Mal, dass wir miteinander geredet haben. Ich glaube, ich habe ihm gesagt, er soll verschwinden und sich bei ihr ausweinen, und darauf hat er gesagt, dass sie ihn verfolge.«
Das war eine ausführlichere Fassung dessen, was sie ihm beim ersten Gespräch erzählt hatte. Brunetti warf Vianello, der scheinbar teilnahmslos zuhörte, einen Blick zu. Signora Doni fixierte Brunetti. »Na, dem war ja auch so, oder? Vermutlich hat er gedacht, ich würde ihm die Chance geben, zwischen uns zu wählen: sie oder ich. Aber nichts da: Ich habe ihm gesagt, er soll verschwinden.« Und nach einer Pause: »Dieses eine und das letzte Mal.«
»Hat er beim letzten Mal etwas von seiner Arbeit erwähnt, Signora?«
Sie hob zu einer Antwort an, verfiel aber wieder in Lethargie und starrte ihre Uhr an. Womöglich versuchte sie sich zu erinnern, wie man die Zeit abliest; es konnte aber auch sein, dass sie sich eine Antwort zurechtlegte. Brunetti sah keinen Grund, sie zur Eile anzutreiben.
»Er meinte, der Preis für diesen Job sei zu hoch. Er sagte, das mache alles kaputt. Ich nehme an, damit meinte er, dass er sie dort kennengelernt hatte. Jedenfalls habe ich das gedacht, als er das sagte.«
»Könnte er etwas anderes gemeint haben, Signora?«, meldete sich Vianello zu Wort.
Offenbar erinnerte sie sich an den guten Polizisten, denn diesmal brachte sie fast ein richtiges Lächeln zustande. Nach einigem Nachdenken sagte sie: »Möglich.«
»Haben Sie eine Vorstellung, was das gewesen sein könnte?«, fragte Vianello.
»Einmal«, fing sie an und richtete den Blick in die Ferne, »hat er gesagt, es sei schrecklich, was sie da machen.«
Brunetti brauchte sich nur an das wenige zu erinnern, das er selbst gesehen hatte, um das voll und ganz zu bestätigen. »Was sie da mit den Tieren machen?«, fragte er.
Sie neigte den Kopf und sah ihn an. »Das ist es ja gerade. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kommt es mir vor, als habe er vielleicht etwas anderes gemeint, nicht, was da den Tieren angetan wird.« Sie beugte sich zur Seite und streichelte das Küchentuch wie ein Haustier. »Als er dort angefangen hat, haben wir darüber geredet. Ich musste ihn fragen, weil er doch Tiere so liebt… so geliebt hat. Und ich weiß noch, wie er mir erzählt hat, dass es viel weniger schrecklich sei, als er befürchtet habe.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich konnte das erst nicht glauben, aber er sagte, er habe an diesem Morgen eine ganze Stunde dort verbracht, um zu sehen, wie das läuft. Und es sei nicht so schlimm, wie er befürchtet habe.«
Sie stöhnte laut auf. »Vielleicht hat er gelogen, um mich zu schonen. Ich weiß es nicht«, meinte sie zögernd.
Brunetti wusste es auch nicht. Er hatte keine Ahnung, was die Schlachter dem kontrollierenden Tierarzt am ersten Tag vorgespielt haben mochten und ob der Kontrolleur auch bei der Tötung der Tiere anwesend sein musste oder nur deren Fleisch zu kontrollieren hatte. Er erinnerte sich an das hektische Chaos, das Kreischen und Strampeln. »Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, was er gesagt hat?«, fragte Brunetti.
Sie reagierte noch zögerlicher als bisher. Wieder berührte sie gedankenverloren ihre Uhr, und er dachte schon, sie wolle sie aufziehen, aber dann sagte sie: »Nicht zu mir.«
Brunetti hakte nicht nach, sondern nickte Vianello zu.
»Aber zu Ihrem Sohn, Signora?«, fragte der Ispettore.
»Ja. Zu Teo.«
»Könnten Sie uns sagen, was das war?«
»Einmal, nachdem er Teo nach Hause gebracht hatte, hat er ihm eine Gutenachtgeschichte erzählt. Das war vor ungefähr drei Wochen.« Sie ließ die Worte verklingen. »Das hat er immer getan, wenn sie wieder zu Hause waren.« Das Wort »zu Hause« erschütterte sie, sie hustete kurz und fuhr fort: »Es waren immer Geschichten oder Bücher, in denen Tiere vorkamen. Diese jetzt handelte von einem Hund, der nicht sehr mutig war – die muss er sich ausgedacht haben, denn so ein Buch haben wir nicht. Der Hund hat ständig Angst: vor Katzen, vor anderen Hunden. In der Geschichte wird er von Räubern
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