Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Luft und der Lärm und die überwältigende Hässlichkeit der Gegend, durch die er fuhr. Kein Wunder, dass Autofahrer oft aggressiv waren.
Signorina Elettra hatte ihn telefonisch bei Dottor Papetti angemeldet: Commissario Brunetti habe ohnehin auf dem Festland zu tun und bitte um eine Unterredung wegen Dottor Nava. Zum Glück hatte Dottor Papetti an diesem Nachmittag keine anderen Termine und war in seinem Büro. Sie erklärte, der Weg zum Schlachthof sei Dottor Brunetti bekannt.
Obwohl der Fahrer dieselbe Strecke wie beim ersten Mal fuhr, erkannte Brunetti kaum etwas wieder: Er hatte einfach nie gelernt, sich Straßen zu merken. Eine der Villen glaubte er schon mal gesehen zu haben, aber von weitem sahen sie sowieso fast alle gleich aus. Die Zufahrt zum Schlachthof und das Tor hatten sich ihm allerdings eingeprägt. Ebenso der Geruch, der ihm, wenn auch nicht mehr so durchdringend, entgegenwehte.
Am Eingang kam ihm Dottor Papetti entgegen, ein großer Mann mit Stirnglatze, die seinen schmalen Kopf noch schmaler erscheinen ließ. Seine runden, dunklen Augen hätten besser in ein breiteres Gesicht gepasst. Die dünnen Lippen waren zu einem nichtssagenden Lächeln erstarrt. Die Schultern seines Anzugs waren gepolstert, was zwar völlig aus der Mode war, aber immerhin seine dürre Gestalt kaschierte. Brunetti bemerkte, dass er handgefertigte Schuhe trug, vermutlich wegen seiner ungewöhnlich schmalen Füße.
Er überraschte Brunetti mit einem kräftigen Händedruck, schlug vor, sie sollten in sein Büro gehen, und stakte wie ein Reiher durchs Wasser neben ihm her, wobei der Kopf auf seinem übermäßig langen Hals bei jedem Schritt nach vorn ruckte. Beide schwiegen. Ab und zu drangen Geräusche aus dem hinteren Teil des Gebäudes.
Papetti ließ ihm den Vortritt in sein Büro: »Commissario, bitte nehmen Sie Platz, und sagen Sie mir, womit ich Ihnen dienen kann. Leider war ich ja bei Ihrem ersten Besuch verhindert.«
Brunetti überquerte die Schwelle mit den Worten: »Freut mich sehr, dass Sie jetzt Zeit für mich gefunden haben, Dottor Papetti.« Als sie beide saßen, gab er noch einmal seiner Dankbarkeit Ausdruck: »Ein Mann in Ihrer Position hat sicher zahlreiche Verpflichtungen.« Papettis bescheidenes Lächeln erinnerte Brunetti an einen kafkaesken Satz, den er einmal gelesen hatte: Da ging es um einen Mann, der andere hatte lachen sehen und nun zu wissen glaubte, wie man das machte.
»Zum Glück«, fing Papetti an, »das heißt zum Glück für Sie, wurden zwei Termine für heute Nachmittag abgesagt, so dass sich eine größere Lücke ergeben hat.« Er setzte ein anderes Lächeln auf. »Oft passiert das nicht.«
Seine Worte ließen Brunetti aufmerken, und plötzlich wusste er warum: Genau solche Sprüche hatte auch Patta immer auf Lager. Nur hatte er es hier mit einem leutseligen oder einem verschlagenen Patta zu tun?
»Wie meine Sekretärin Ihnen sicherlich ausgerichtet hat, möchte ich mit Ihnen über Dottor Nava sprechen«, tat Brunetti ebenfalls überlastet.
Papetti nickte, und Brunetti fuhr fort: »Da er für Sie gearbeitet hat, nehme ich an, Sie können mir Auskunft geben.« Dann vertraulich: »Ich habe mit seiner Witwe gesprochen, aber die konnte mir nicht viel sagen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist, aber die beiden haben seit einigen Monaten getrennt gelebt.« Er wartete ab, wie Papetti darauf reagieren würde.
Nach einem kaum merklichen Zögern meinte jener: »Bedaure, das habe ich nicht gewusst.« Er rieb mit den Fingern der Linken den Handrücken der Rechten. »Ich kannte ihn nur von der Arbeit im macello, über sein Privatleben haben wir nie gesprochen.«
»Aber dass er verheiratet war, wussten Sie doch, Dottore?«, fragte Brunetti sanft.
»Oh«, sagte Papetti und versuchte sich an einer lässig wegwerfenden Handbewegung. »Gewusst habe ich es wohl oder jedenfalls vermutet; schließlich sind die meisten Männer in seinem Alter verheiratet. Oder vielleicht hat er mal seine Kinder erwähnt. Ich kann mich leider nicht erinnern.« Er setzte eine besorgte Miene auf. »Wollen Sie bitte der Witwe mein Beileid ausrichten, Commissario.«
»Selbstverständlich, selbstverständlich.« Brunetti nickte zum Zeichen, dass er Papettis Anteilnahme zu schätzen wusste.
Er ließ etwas Zeit vergehen und fragte dann: »Können Sie mir sagen, was genau Dottor Nava im macello zu tun hatte?«
Papettis Antwort kam so schnell, als habe er sich auf die Frage vorbereitet. »Er war hier als Kontrolleur
Weitere Kostenlose Bücher