Tierische und andere Offerten
Sehnsucht nach der alten Heimat auf. Sie berieten sich untereinander und kamen zu der Einsicht, dem Ruf der Lerchen zu folgen.
Sie verließen ohne Bedauern das fremde Land.
Als sie in einem Frühsommer ihre Heimat fast erreicht hatten, sahen sie, dass das Tränenmeer indes versiegt war. Am unteren Flusslauf waren prächtige Wiesen mit unzähligen gelben Butterblumen zu sehen. Kein einziges Haus war zu sehen und kein lebendes Wesen, außer Schmetterlingen und andere Insekten, die die goldenen Blüten umschmeichelten. Sie wunderten sich sehr darüber und konnten sich das Glück nicht erklären, von dem neidischen Volk befreit zu sein. Überall leuchteten den Mutlosen fröhlich zunickend die gelben Köpfchen der Butterblumen entgegen.
Sie wanderten weiter zum oberen Flusslauf ihrer früheren Heimat. In der Verwüstung und auf der noch teilweise verbrannten Erde jedoch sah man zaghaft die ersten Grashalme, und auch hier zeigten sich dazwischen schon vereinzelt Butterblumen, die ihre Blüten den Unglücklichen froh entgegenhoben. Winzige junge Bäumchen und zarte Sträucher zeigten ihnen, dass wieder Leben in der Erde schlummerte. Ein schwaches Lächeln streifte die Gesichter der Menschen und ein glückseliges Heimatgefühl durchströmte ihre Körper. Und schon sahen sie auch die ersten Vögel; und Feldlerchen stießen trotz der kargen Vegetation mit jubilierendem Gesang steil in die Luft. Das gab den Menschen die Kraft für einen Neuanfang.
Und den Butterblumen, die sie nach einer schweren, bitteren Zeit mit ihren an eine Sonne erinnernden Blüten fröhlich empfingen, gaben sie weiterhin Raum und nutzten sie sogar als Heilpflanze.
Ja, so träumte die kleine Butterblume von einer großen Freiheit, als sie kurzerhand von einem Rasenmäher erfasst wurde und mit anderen Artgenossen auf dem Kompost landete.
Ingrid Marschner
Esel Ebra
In diesem Jahr zeigt sich der Herbst von seiner aller schönsten Seite – bunt und sommerlich warm. Und am späten Tag, als die Stimmung des Abends die Bäume umhüllt und den Blättern ihre herbstlichen Farben nimmt, spannt sich ein riesiger Bogen bunt über das Himmelszelt. Rot und Orange, sogar silberne und goldene Streifen umweben den Horizont; verzaubert liegt die Stadt unter diesem schillernden Glitzertuch!
Die Menschen lächeln, denn die Farbenpracht öffnet ihre Herzen und stimmt sie froh – vor allem die Kinder, aber auch die Tiere in dem kleinen Zoo, oberhalb der Stadt.
Steht die Sonne ungetrübt am Himmel, sind die meisten Tiere im Freigehege – auch Carli und Zeppi, die Zebras aus Afrika. Seit den Sommerferien leben sie hier und die Kinder sind ganz begeistert von den beiden. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass sie die Zebras besuchen. Manche Kinder kommen sogar zwei- oder dreimal am Tag.
Doch vor lauter Freude über bemerkt niemand, dass in der Nachbarschaft etwas ganz Trauriges geschieht. Nicht weit vom Zoo, auf einem alten Bauernhof, lebt ein kleiner Esel. Früher, als die Zebras noch nicht hier waren, kamen die Kinder fast jeden Tag und hatten viel Spaß mit dem Esel. Doch jetzt ist alles anders. Seit die Zebras hier im Zoo leben, bekommt er nur noch selten Besuch. Immer, wenn das Eselchen die Kinder hörte, wie sie lachend den Hügel heraufgerannt kamen, klopfte sein Herz ganz wild. Ja, er freute sich auf seine Freunde. »Jetzt kommen sie! IA ... IA!«, rief er, ging ganz dicht an das Gartentor heran, stellte die Ohren kerzengerade auf und wartete gespannt auf die Kinder. Seinen Kopf lehnte er weit über den Gartenzaun, damit er die lange Straße überblicken konnte. Unruhig stampften seine Hufe dabei den Boden und der Schwanz wedelte aufgeregt hin und her. Nun aber kamen die Kinder nicht mehr, sie blieben bei den Zebras stehen.
Carli und Zeppi wurden von allen bewundert und verwöhnt. Die Kinder drängten sich an das Gehege, denn jeder wollte ihnen so nah wie möglich sein. Sie sprangen vor Begeisterung herum, fassten sich an den Händen und tanzten miteinander, dass ihnen fast schwindlig wurde und die vielen Streifen der Zebras vor ihren Augen zu flimmern begannen. Es war ein Riesenspaß!
Bald danach gingen sie wieder, rannten vergnügt den kleinen Hügel hinunter und man konnte sie nur noch lachen hören. Niemand blickte auf den Esel am Gartentor, der allein stand und auf die Kinder wartete. Er wurde immer trauriger, bis ihm schließlich die Ohren umknickten und über seinen tränengefüllten Augen hingen. »IA ... I... I... Ach, niemand kommt
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