Tierische und andere Offerten
den Kindern nicht übel. Noch einmal wird die Geschichte erzählt und dröhnendes Gelächter erfüllt die Wohnstube.
Robert und Paule sind erleichtert. Aber dann wird es ernst. Der Bauer Hinrich will Schadenersatz für zwei Hühner. Robinsons Attacke hatte sie so erschreckt, dass ihnen das Herz versagte. Und tropische Rassehühner sind nicht billig. Seufzend erklärt sich der Vater bereit, mit dem Bauer zu sprechen, um die Hühner zu bezahlen. Aber den Lausebengel werden nochmals die Ohren lang gezogen und der Dachs bleibt auf dem Grundstück. Er schwört sogar. Das aber hören die Jungs nicht mehr, denn sie verschwinden wie der Blitz in ihren Zimmer. Vater hält indes Wort, und strenge Zeiten brechen an.
So vergeht der Winter.
Allmählich wärmt die Sonne stärker. Der Schnee schmilzt und das erste zarte Grün zeigt sich, den Frühling ankündigend. Da trifft die Familie eine Schreckensnachricht – ein grauer Einschreibbrief aus der Kreisstadt. Darin wird der Beschwerde einer gewissen Frau Lemke vom Tierschutzverein stattgegeben. Die Familie Hinze erhält die Aufforderung, den Dachs im Tierpark abzuliefern.
Alle sind in heller Aufregung. Vater ruft den Familienrat ein. Auch Förster Schulte ist dabei. Doch so sehr die Angelegenheit hin und her gewendet wird, es scheint keinen Ausweg zu geben. Der Brief ist klar und deutlich. Sogar eine Strafe wird angedroht. Selbst der Förster ist zunächst ratlos. Dann kommt ihm aber eine Idee.
»Tja, die ganze Empörung nutzt nichts. Die haben den längeren Arm. Ihr könnt Robinson nicht behalten. Es muss ja nicht der Tierpark sein. Der Dachs ist erwachsen und kann genau so gut in den Wald. Das müssen wir erreichen. Mehr wird nicht gehen.« Der Vater zuckt mit den Schultern, als er die traurigen Augen der Kinder sieht. »Da ist nichts zu machen Jungs!« Sich an Schulte wendend fährt er fort: »Ich komme mit in die Kreisstadt. Wir beide boxen das schon durch. Was wissen diese Büromenschen überhaupt, was gut für so ein Tier ist?«
Bereits am nächsten Tag sind die beiden im Jeep des Försters unterwegs zu den amtlichen Stellen. Erst am späten Nachmittag sind Vater und Schulte wieder zurück. Müde, aber in Siegerlaune. Wenigstens eines ist erreicht. Robinson darf im Wald leben. Viel Überzeugungskunst hat das gekostet. Ausschlaggebend war die Unterstützung von Oberförster Meinhart, einem alten Freund Schultes. Trotzdem machen Melanie, Robert und Paule saure Mienen. Es ist ein langes Gespräch, das die Eltern und der Förster mit ihnen führen. Die Kinder sehen es dann ein. Ein in der freien Wildnis geborenes Tier fühlt sich nur dort am wohlsten. Robert sagt zum Schluss: »Ja gut, wir begreifen das! Ein Dachs ist kein Haustier, wie ein Hund oder eine Katze. Wir würden aber gern eins haben.«
Die Mutter drückt Robert an sich und streicht ihm übers Haar. »Darüber können wir später noch reden.« Dabei tauscht sie heimliche Blicke mit dem Vater und dem Förster aus.
Eines Tages ist es dann soweit. Robinson wird in die Freiheit gelassen. Außer der Mutter sind alle dabei. Eine Stunde etwa geht es mit dem Jeep von Förster Schulte aus über holprige Waldwege. Bis ein Hain von hochstämmigen Buchen erreicht ist. Dichtes Gras wächst zwischen den Bäumen. Gleich am Rande ist eine Fichtenschonung. Robinson hebt schnuppernd die Nase. Er ist ganz unruhig. Als der Wagen hält, springt der Dachs sofort vom Wagen. Förster Schulte beobachtet schmunzelnd das aufgeregte Gebaren. Gerade will Paule was sagen, da legt er den Finger an den Mund. Robinson stößt laute quiekende Schreie aus. Und da, was ist das? Wie ein Echo kommt eine Antwort. Der Dachs läuft ins hohe Gras. Aber bevor er ganz verschwindet, dreht er sich noch einmal um und blickt die Fünf an. So als wollte er sagen: Ich danke euch. Es hat mir gut gefallen. Aber jetzt gehe ich dahin, wo ich hingehöre. Zu meinen Verwandten. Dann ist er weg. Die Jungen schlucken, nur Melanie läuft eine Träne die Wange herunter. Förster Schulte nimmt sie in den Arm. »Er hat jetzt wieder eine Familie seiner Art. Voriges Jahr habe ich hier eine Dachsmutter mit ihren Jungen beobachtet. Vielleicht ist es seine Mutter. Aber auch so wird er gut aufgenommen. Dachse sind verträgliche Tiere.«
Die Kinder sind etwas getröstet. Trotzdem verläuft der Heimweg schweigsam. Zu Hause wartet eine faustdicke Überraschung. Fröhlich bellend kommt ihnen am Gartentor ein Hundewelpe entgegengesprungen. Nun strahlen die Augen der Kinder wieder.
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