Tiffamy Duo Band 29
goldhaltige Land mich reizen würde, ein Pferd zu stehlen, um es dann wieder zurückzubringen?"
„Nein!" Kendra schüttelte den Kopf. Sie war viel zu erregt, um sich über ihn zu ärgern. Sie zwängte sich durch den Zaun und rannte die Koppel hinunter. Sie merkte nicht einmal, dass er ihr folgte.
Mit keuchendem Atem kam sie am anderen Ende der Koppel an und starrte auf den Zaun. Sie hatte es befürchtet: Es war ein ziemlich großes Stück herausgebrochen. Wütend trat sie mit dem Fuß gegen eine Holzlatte. „Verdammt! Wir alle saßen auf der Veranda und konnten die Koppel hinunterblicken, und wir alle haben nichts gesehen . . . niemanden bemerkt. Ich ..."
Sie wirbelte herum und prallte gegen Raymonds Brust. Ihr Herz sank, weil sie wieder diese Wärme spürte, die von ihm ausging. Es war, als sei die Zeit stehengeblieben, seit sie zuletzt in seinen Armen gelegen hatte.
Doch Kendra gelang es, sich unter Kontrolle zu halten. Hastig trat sie einen Schritt zurück, gerade in dem Moment, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte, mit einer Geste, die sich nicht leicht erklären ließ. Es konnte ein Versuch gewesen sein, sie zu stützen, obwohl sie die Balance nicht verloren hatte. Er konnte aber auch versucht haben . . .
Kendra verbot sich, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Sie trat noch einen Schritt weiter zurück, merkte aber nicht, dass er genau das gleiche tat.
„Die anderen Pferde", flüsterte sie. „Ich muss sie in den Stall treiben, bevor auch sie ausbrechen. Ich muss ihre ..."
„. . . Halfter holen", fiel ihr Raymond ins Wort. Seine Stimme klang reserviert. Weiter sagte er nichts, sondern hielt ihr die Halfter hin.
„Oh, du hast sie." überrascht sah sie ihn an. „Wie hast du . . ."
„. . . daran denken können, sie mitzunehmen? Mir war sofort klar, dass der Zaun zusammengebrochen sein musste. Entweder das, oder jemand musste sich herangeschlichen haben, um dir das Pferd unter der Nase wegzustehlen." Er zuckte die Schultern. „Auf alle Fälle war ich vorbereitet. Ich war nämlich mal bei den Pfadfindern. Alte Gewohnheiten sind nicht so leicht abzustreifen, glaube ich." Kendra nickte zustimmend. Dann nahm sie ihm die Halfter aus der Hand. Als sie bereits zwei in der linken trug, streckte sie die rechte Hand aus, um die beiden anderen entgegenzunehmen. Plötzlich umschloss Raymond ihr Handgelenk. Für einen Augenblick konnte Kendra sich nicht vom Fleck rühren. Dann riss sie sich los.
„Nein . . . nicht", begann sie atemlos.
„Immerhin sind es drei gegen eine." Raymond nickte hinüber zu den Pferden, die friedlich vor sich hin grasten. „Benimm dich nicht wie ein Baby."
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Sie hielt die beiden Halfter fest und folgte ihm mechanisch.
★
Keiner von ihnen sprach ein Wort, bis sie die Stalltür hinter dem letzten Pferd geschlossen hatten. Kendra lehnte sich seufzend dagegen. Jetzt erst zitterten ihr die Knie. „Windsong" war noch nicht an Autoverkehr gewöhnt. Wenn sie in die andere Richtung auf die Fahrbahn und nicht zu Raymonds Ranch galoppiert wäre, nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn ein Auto sie erschreckt hätte. Höchstwahrscheinlich hätte es ein großes Unglück gegeben.
Kendra wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Es ist nichts passiert, rief sie sich zur Ordnung. „Windsong" ist zu Raymond gelaufen, und dort war sie sicher . . . jedenfalls für einen weiteren Tag. Sie blickte verstohlen zu Raymond hinüber. Er zog gerade eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und hielt sie ihr hin. Er gab ihr Feuer, zündete sich dann selbst eine an und blies den Rauch nachdenklich in die Luft. „Weißt du", begann er wieder das Gespräch, „,Windsong' könnte mit den Hufen den Zaun eingetreten haben. Wild genug ist sie ja, soweit ich das beurteilen kann."
Kendra zog die Stirn kraus. Sie wusste, dass das nicht der Fall gewesen war. Erschöpft ließ sie sich in das Gras vor der Stallmauer gleiten.
„Der untere Balken des Zaunes ist nicht so hoch, dass sie nicht hätte hinüberspringen können." Raymond ließ sich neben sie in das Gras fallen.
Kendra schüttelte müde den Kopf. „Nein", entgegnete sie. „Nein, da hat jemand nachgeholfen. Justine achtet sehr genau darauf, dass die Zäune in Ordnung sind. Das weißt du, Raymond. Es ist doch sonderbar, dass so etwas passiert, wenn zwei unserer besten Pferde auf der Koppel sind." Kendra lehnte sich bequemer gegen die Wand und streckte die Beine lang aus. Am liebsten hätte sie
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