Tiffamy Duo Band 29
Dutzend Pferde verloren.
Jetzt hatte sie den Beweis. Sie musste akzeptieren, dass er der Schuft war. Als sie zu ihm aufsah, hatte sie ein übles Gefühl in der Magengegend, und trotz der Hitze der Nacht fror sie plötzlich.
„Gib mir das Pferd", flüsterte sie, „und rede nicht mit mir darüber. Es sind noch mehr Leute in der Nähe." Ihre Stimme klang hohl und leblos. Langsam zog sie die Pistole aus dem Gürtel.
„Wovon redest du überhaupt?" fragte Raymond. Er schwang sich aus dem Sattel und band sein Pferd am Zaun fest. Dann sah er sie prüfend an und entdeckte die Waffe in ihren Händen.
„Steck das Ding da weg!" rief er ärgerlich. „Findest du nicht, dass du ein bisschen zu weit gehst? Was denkst du eigentlich, wer du bist?"
Er war unausstehlich, arrogant und sehr selbstsicher. Dann tat er etwas, was sie noch nie einen Mann hatte tun sehen. Er kehrte der Pistole einfach den Rücken zu. Ihre Hand begann zu zittern. „Sie ist geladen", warnte sie ihn mit brüchiger Stimme. Raymond blickte sie über die Schulter hinweg an, während er ,Windsong' von seinem Sattelhorn losband. „Tatsächlich?" fragte er.
„Ich könnte abdrücken."
Raymond blieb unbeeindruckt. „Aber du wirst es nicht. Aus welchem Grund solltest du das tun?"
Er hat recht, dachte Kendra. Eigentlich hatte sie keinen Grund. Schließlich hatte er nur ein Pferd zurückgebracht. Es konnte aber auch ein Täuschungsmanöver sein, um seine Schuld zu kaschieren. Nachdem sie sich beruhigt hatte, war sie sich nicht mehr so sicher.
Er ist es nicht wert, dass ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringe, dachte sie bitter. Die schlaflosen Nächte, die sie seinetwegen hatte ... die würden sich geben.
Kendra schob die Pistole zurück in ihren Gürtel und riss ihm die Zügel aus der Hand. „Was wolltest du mit ,Windsong' machen?" fragte sie vorsichtig.
„Viel wichtiger, was wolltet ihr ohne sie machen?" fragte Raymond zurück. „Kein Wunder, dass ihr soviel Pech habt", meinte er. „Euer Sicherheitssystem lässt zu wünschen übrig, wenn ich das mal sagen darf."
Kendra war empört. „Das ist doch die Höhe! Willst du etwas Bestimmtes damit andeuten?" fragte sie. Wollte er sie etwa verspotten?
Der fahle Schein der Hoflampe war nicht hell genug, als dass Kendra sehen konnte, wie er seine Augen bei ihrer letzten Frage wütend zusammengekniffen hatte. „Ich will damit sagen", erwiderte er mit erzwungener Ruhe, „dass euer Pferd den Rasen, den ich im Frühling vor meiner Veranda habe anlegen lassen, kahlgefressen hat. Aber mach dir keine Gedanken über den Schaden. Nimm ,Windsong' nur an dich."
„Oh." Plötzlich ging Kendra ein Licht auf. „Sie ist..."
„Sie ist durchgegangen — und immer noch sehr nervös. Darum habe ich sie nicht früher zurückgebracht."
Kendra nickte schuldbewusst, ergriff das Pferd am Zügel, um es zurück in den Stall zu führen. „Vielen Dank", murmelte sie mit zögernder Stimme. Eine Minute lang, eine winzige Minute lang hatte er sich wie der alte Raymond angehört.
Während des heißen Sommers vor zehn Jahren hatte Kendra ihn nicht einmal dabei ertappt, dass er seine Hand gegen ein Pferd erhoben hätte. Außerdem wusste sie, dass ein Rancher ein übererregtes Pferd erst wieder reiten würde, wenn es sich beruhigt hatte. Raymond konnte mit Pferden umgehen, das stimmte. Er holte alles aus ihnen heraus, aber er tat es mit sanfter Beharrlichkeit.
Konnte so ein Mann aus Rache oder für Geld Pferde umbringen? Ich muss damit aufhören, mich verrückt zu machen, schalt sie sich selbst. Ich muss . . . Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen und sah Raymond prüfend an. Ob er es war oder nicht, irgend jemand hatte es auf ihre Pferde abgesehen. Sicherlich war es auch das Werk dieses Unbekannten, dass „Windsong" ausbrechen konnte. Aber wie?
Raymond hatte Kendras Bestürzung bemerkt und fragte daher: „Ist irgend etwas nicht in Ordnung?"
„Windsong", antwortete sie. „Wie konnte sie die Koppel verlassen?" Ihre Stimme überschlug sich fast.
„Reicht es nicht, dass sie wieder da ist?" fragte Raymond. „Entschuldige, dass ich nicht länger bleibe, während du Detektiv spielst." Mit diesen Worten wandte er sich seinem eigenen Pferd zu.
„Warte." Sie zog „Windsong" eilig in den Stall und legte die Waffe wieder auf ihren Platz im Bord. „Verstehst du denn nicht?" fragte sie wütend.
„O ja! Ich verstehe sehr gut", antwortete er kalt. „Du möchtest mich gern einem Verhör unterziehen, ob dieses
Weitere Kostenlose Bücher