Tiffamy Duo Band 29
wusste, dass es meist eine halbe Stunde dauerte, bis ein Streichholz oder eine Zigarette einen Heuboden in Brand setzen würden. Genug Zeit für eine Affäre, sorgfältig geplant. Und als er sie ohnmächtig ins Haus trug, hatte er sogar Gelegenheit gehabt, die Schlüssel zurückzubringen und alles wieder an seinen richtigen Platz zu legen. Alles passte haarscharf zusammen.
Sie war nichts weiter als ein Alibi für ihn gewesen. Wieder hatte er ihren Traum zerstört. Nur diesmal hatten auch noch zwei Pferde daran glauben müssen. Warum hatte sie sich wie eine Närrin benommen? Aufschluchzend kniete Kendra auf dem Boden und barg das Gesicht in den schmutzigen Händen. Sie hatte das Gefühl, als ob eine eisige Hand nach ihr greifen und sie nie mehr loslassen würde. Blind vor Tränen zerknüllte sie die Packung, bis ein kleiner, fast unkenntlicher Ball daraus geworden war.
Raymond war nicht unschuldig. Er war kaltblütiger, grausamer und gefährlicher als alle Männer, die sie bisher in ihrem Leben kennengelernt hatte.
Und sie hatte nicht einmal mehr die Kraft, ihn dafür zu hassen.
„Haben Sie etwas Interessantes gefunden?" klang eine Stimme zu Kendra hinauf, als sie etwa zehn Minuten später die Treppe hinuntersteigen wollte. Es war Leona, die am Koppelgatter lehnte.
„Wie bitte?" murmelte Kendra abwesend.
„Ich fragte, ob Sie etwas Interessantes gefunden haben?" wiederholte Leona. „Sie haben dort oben doch etwas gesucht, nicht wahr? Sie wollten herausfinden, wer das Feuer gelegt hat."
„O ja", Kendra nickte zustimmend und blickte dann auf die zerknüllte Packung in ihrer Hand. Hastig stopfte sie das Knäuel in die Gesäßtasche ihrer Jeans und schritt die Treppe hinab.
Ich will sie ganz bestimmt nicht verstecken, beruhigte sie sich selbst. Diesmal nicht. Sie musste sie Justine zeigen. Und das würde sie ganz bestimmt tun.
Und sie würde die Polizei benachrichtigen müssen. Doch zuerst musste sie mit Raymond über ihre Entdeckung sprechen, bevor sie weitere Schritte unternahm. Bis dahin durften weder Leona noch jemand anders etwas erfahren.
„Ich habe nichts gefunden", sagte Kendra daher, verwundert über sich selbst, dass ihr die Lüge so leicht über die Lippen gegangen war. Das also war ihre eigene Auffassung von Ehrlichkeit und Fairness. Es schien, als ob Raymond Durant nicht nur ihre Pferde und den Stall auf dem Gewissen hatte.
Leona hatte das Interesse an dem Gespräch verloren. Sie ging auf die Koppel, drehte sich aber noch einmal zu Kendra um: „Ich hatte mir bereits gedacht, dass Sie nichts finden würden. Und der Sheriff auch nicht."
Kendra, die das Koppelgatter hinter Leona geschlossen hatte, hob den Kopf. „Wieso bist du dir so sicher?" fragte sie vorsichtig.
„Ich hörte zufällig sein Gespräch mit Mrs. Blake heute morgen, als er sich den Stall ansah oder das, was davon übriggeblieben ist."
„Er glaubt nicht, dass es Brandstiftung war", unterbrach Kendra sie. „Und du auch nicht. Das wolltest du mir doch mitteilen, nicht wahr?"
Leona ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Vielleicht war es ja Brandstiftung. Ich glaube nur nicht, dass man einen Beweis dafür finden wird. Wer so etwas macht, ist nicht dumm, wissen Sie. Er geht sehr klug vor, um nicht entdeckt zu werden." Kendra fröstelte plötzlich. Alles, was Leona eben gesagt hatte, traf in allen Punkten auf Raymond zu.
„Was den Sheriff angeht", fuhr Leona fort. „Er denkt, dass das Heu sich selbst entzündet hat. Es passiert manchmal. Tatsächlich habe ich das schon einmal erlebt. Wenn man bedenkt, dass es die ganze Woche unerträglich heiß gewesen ist..." Sie sprach den Satz nicht zu Ende, wickelte sich eine Strähne ihrer langen Haare um den Finger und ging zurück zu den Pferden.
Vergiss nicht, was Leona gesagt hat, meldete sich Kendras innere Stimme. Sie war versucht, hinter dem Mädchen herzurennen, um noch mehr aus ihr herauszuholen. Du weißt, wer es war, erinnerte sie sich dann. Hör auf, ihn in Schutz zu nehmen. Hör endlich auf, an seine Unschuld zu glauben und dich wie eine Närrin zu benehmen. Trotzdem ging ihr das Gespräch mit Leona nicht aus dem Kopf. Es stimmte, das Heu konnte sich durch die Hitze auch selbst entzündet haben. Das war eine Möglichkeit.
9. KAPITEL
Kendra nahm sich nicht einmal die Zeit, „Windy Dawn" zu satteln, als sie das Pferd eingefangen hatte, sondern kletterte auf den Zaun und ließ sich von dort auf den Pferderücken fallen. Diesmal ritt sie langsam durch das ausgetrocknete
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