Tiffamy Duo Band 29
vergessen können? Sie öffnete die Tür und trat hinaus in die gleißende Sonne. „Ich danke dir für deine Hilfe. Jetzt aber muss ich gehen."
„Aber er war es nicht", fuhr Marcia ruhig fort. „Raymond Durant würde so etwas niemals tun. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass er niemals ein Pferd verletzen würde. Ich habe diese Gerüchte gehört und glaube nicht eine Minute daran, dass er darin verwickelt ist. Überrascht dich das?"
Kendra musste sich abwenden, weil sie einen stechenden Schmerz in der Brust verspürte. „Nein, ich glaube nicht. Ich habe immer gewusst, dass ihr beide . . . euch noch sehr nahe steht. Es ist doch nur natürlich, dass du ihn in Schutz nimmst."
„Das war lange Zeit nicht der Fall", meinte Marcia. Kendra sah sie fragend an: „Ich verstehe dich nicht."
Marcia rang mit sich und sagte dann entschlossen: „Du hast vorhin nicht richtig zugehört. Raymond und ich stehen uns nicht. . . sehr nahe. Wie ich bereits sagte, verbinden uns Geschäfte und unser Sohn, aber er verbringt wirklich nur so viel Zeit hier, wie er absolut muss. Hätten wir diese Unterhaltung vor einigen Jahren gehabt, hätte ich nach Kräften versucht, dich von seiner Schuld zu überzeugen, um ihm zu schaden. Doch heute kann ich es nicht mehr."
„Warum nicht?" fragte Kendra neugierig.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil man sich im Laufe der Zeit ändert und die Erinnerungen verblassen, auch die schlechten. Rache ist dann nicht mehr so wichtig. Auf jeden Fall kann ich nicht hier stehen und dir erzählen, dass er rücksichtslos und grausam ist, wie jeder in der Umgebung sagt. Dickköpfig — unnachgiebig, ja. Aber er ist auch ehrlich und nett. Er kann sehr gefährlich werden, wenn man sich gegen ihn stellt, wie ich es getan habe. Das will ich nicht abstreiten. Aber ich kann auch seinen Hass verstehen. Ich habe ihn nicht aus Liebe geheiratet, und ich war dumm genug, es ihm zu sagen. Vor zehn Jahren verkörperte er all das, was den Vater eines verzogenen reichen Mädchens in Schrecken versetzen konnte. Er war ein Cowboy, der es mit der Ehrlichkeit nicht so genau nahm, viele Frauen hatte, aber kein Geld." Marcia lachte kurz auf. „Und ich war entschlossen, mich gegen meinen Vater aufzulehnen. Ich ließ keine Gelegenheit aus, mich mit Raymond zu treffen, und als er mich bat, ihn zu heiraten, sagte ich ja. Doch dann wurde ich endlich erwachsen und erkannte, dass man nicht sein ganzes Leben damit verbringen kann, gegen seine Eltern zu rebellieren. Raymond hatte es zu diesem Zeitpunkt selbst zu etwas gebracht und war meinem Vater kein Dorn mehr im Auge. Doch als ich jemanden traf, der besser zu mir passte als Raymond, verließ ich ihn. Das hat er mir nie verziehen. Und ich kann ihm das nicht einmal übelnehmen. Meines Wissens hast du ihm nie Grund gegeben, sich dir gegenüber feindselig zu verhalten. Mach ihn also nicht verantwortlich für eure Unglücke. Er ist es nicht gewesen."
Kendra blickte Marcia zögernd an. „Warum erzählst du mir das?"
Marcia sah ihr gerade in die Augen. „Das ist doch nicht schwer zu verstehen", meinte sie. „Du liebst ihn doch."
11. KAPITEL
Kendra nahm die Kurve mit überhöhter Geschwindigkeit. Die rechten Räder ihres Wagens gerieten über den Fahrbahnrand hinaus und wirbelten eine Wolke aus Staub und Steinen auf. Sie würde sich noch den Hals brechen, wenn es ihr nicht gelang, den Gefühlssturm, der in ihr tobte, unter Kontrolle zu bringen. Doch allmählich wurde sie ruhiger und drosselte die Geschwindigkeit.
Marcia hat unrecht und recht zugleich, dachte sie. Sie liebte Raymond noch immer, auch wenn sie sich zehn Jahr lang eingeredet hatte, es sei nur eine Backfischschwärmerei gewesen. Sie hatte sogar geheiratet, um sich zu beweisen, dass er in ihrem neuen Leben keinen Platz mehr hatte. Doch die Ehe war zerbrochen, weil es nicht Raymond gewesen war. Diese Erkenntnis traf Kendra wie ein Schlag, und fast wäre ihr das Steuerrad entglitten, als sie die Auffahrt von „Westwind" hinauffuhr.
Sie liebte ihn, hatte ihn immer geliebt, und sie würde ihn wieder verlieren. Marcia hatte nur in einem Punkt unrecht. Raymond Durant war noch immer in Marcia verliebt, obwohl seine Exfrau das Gegenteil behauptete.
Kendra erinnerte sich an seine Bemerkung, hintergangen worden zu sein, als ob er erst gestern davon gesprochen hätte. Durch Marcias Schuld war er verbittert und misstrauisch geworden, weil sie ihm noch immer viel bedeutete. Er war noch nicht einmal bereit, mit ihr über
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