Tiffamy Duo Band 29
den Raum verließ, machte aber keine Anstalten, sich den Tee einzuschenken, weil sie mit ihren Gedanken beschäftigt war. Sie wusste so wenig über Raymonds Beziehung zu seiner Exfrau, nur dass er ziemlich viel Zeit hier verbrachte. Wie nahe standen sie einander? Liebten sie sich noch, oder waren sie nur Freunde? Miteinander verfeindet waren sie jedenfalls nicht. War Marcia nach nebenan gegangen, um ihn anzurufen? Würde sie ihm ein Alibi verschaffen? Halt! sagte eine innere Stimme warnend und brachte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Mit zitternden Händen schenkte Kendra sich ein Glas Tee ein.
Marcia kam unerwartet schnell zurück. Sie überreichte Kendra einen kleinen ledergebundenen Kalender, bevor sie sich wieder setzte. „Ich weiß nicht, ob es dir weiterhilft", meinte sie, „aber sieh dir ruhig die Daten an, die wichtig für dich sind." Kendra blickte auf das Buch in ihrer Hand. Sie sträubte sich, in Marcias persönlichen Erinnerungen herumzublättern. Was würde dabei herauskommen?
Dann verstand sie plötzlich. Marcia nahm an, dass sie an der Ehrlichkeit ihrer Worte zweifeln würde. Mit einem kleinen schmerzlichen Lächeln nickte Kendra und öffnete das Buch. Nach einigen Minuten runzelte sie die Stirn. Sie fand nichts. An einigen der in Frage kommenden Tage war Raymond in Morenci gewesen, den Hauptteil hatte er vermutlich in Scottsdale verbracht, weil er an diesen Tagen nicht in Marcias Kalender erwähnt war.
Kendra klappte das Buch zu und legte es auf das Tischchen neben ihrem Sessel. Marcia stellte ihre Teetasse ab. „Nichts?" fragte sie müßig.
„Jedenfalls nichts Aufschlussreiches", antwortete Kendra und stand auf. „Es tut mir leid, dass ich deine Zeit so in Anspruch genommen habe."
Doch Marcias nächste Worte ließen sie aufhorchen. „Deine Vermutungen sind falsch, weißt du."
Kendra fragte überrascht: „Welche Vermutungen?"
„Dass Raymond ziemlich viel Zeit hier verbringt."
Kendra versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Sein Name taucht in deinem Kalender oft genug auf."
Marcia nickte zustimmend: „Wir haben geschäftlich miteinander zu tun, und außerdem haben wir einen Sohn. Aber du kannst mir glauben, dass Raymond nicht mehr Zeit hier verbringt als absolut erforderlich. Wir stehen nicht gerade . . . auf gutem Fuß miteinander. Und es wird vermutlich auch in Zukunft nicht anders sein." Kendras Herz tat einen kleinen Sprung. „Das geht mich nichts an", meinte sie schnell. Sie wollte über diese Beziehung nichts wissen.
Doch Marcia, die sich ebenfalls erhoben hatte und jetzt vor ihr stand, schien das Thema noch nicht beendet zu haben. „Da bin ich anderer Meinung", meinte sie. „Hilft es dir, wenn ich dir ernsthaft versichere, dass er eure Pferde nicht umbringt?" Kendra sah sie scharf an. „Du weißt Bescheid darüber?"
Jetzt sah Marcia überrascht aus. „Du hast es mir erzählt."
„Aber nicht, dass er unsere Pferde umbringt, das nicht."
Marcia lächelte. „O Kendra, es ist sehr wichtig für dich, nicht wahr?"
„Das kann man wohl sagen", entgegnete Kendra seufzend. „Die Zukunft von ,Westwind' steht auf dem Spiel."
Marcia lächelte immer noch. „Mehr als das, vermute ich. Wie dem auch sei, ich bin über alles informiert, was eure Ranch betrifft. Jeder in Scottsdale redet darüber." Kendra trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Ich verstehe", murmelte sie und ging zur Tür.
Doch Marcia eilte hinter ihr her und hielt sie fest. „Kendra."
Kendra drehte sich zu ihr um und sah sie stumm an. „Wo Raymond sich während eurer Unglücksfälle aufgehalten hat, ist nicht von Bedeutung."
„Ich verstehe", erwiderte Kendra knapp, blieb aber stehen, denn es war offensichtlich, dass Marcia ihr noch etwas sagen wollte.
„Auch wenn er an allen in Frage kommenden Tagen in Scottsdale gewesen ist", fuhr Marcia nachdrücklich fort, „besagt das überhaupt nichts."
Kendra war etwas verwundert über die Heftigkeit, mit der Marcia sie zu überzeugen suchte. „Wie bitte?"
„Du weißt, dass Raymond sehr reich ist. Wenn er wirklich seine Hände im Spiel hat, würde er die schmutzige Arbeit nicht selbst machen. Nein, das würde er nicht. Dafür ist er viel zu klug. Er würde jemanden dafür anheuern."
Kendra wich so heftig zurück, als ob man ihr einen Schlag versetzt hätte. Marcia hatte recht. Sie selbst hatte es Raymond ins Gesicht gesagt — bei ihrem ersten Besuch, während der Auseinandersetzung wegen des Goldes. Wie hatte sie diese Möglichkeit nur
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