Tiffamy Duo Band 29
höchstwahrscheinlich ein unerfüllter Traum bleiben, obwohl die Züchter alles versuchten. Und „Windsong" mit dem wunderschönen, edlen Kopf und der Ausstrahlung kam sehr nahe — mehr als jedes andere Pferd — an diesen Traum heran.
Endlich wurde der Applaus leiser, und Kendra ging hinunter zu den unüberdachten Zuschauerrängen. Es war der letzte Tag des Turniers. Keines ihrer Pferde war in den Vorrunden ausgeschieden. „Restless Wind" zum Beispiel hatte sich ebenfalls hervorgetan und würde am Championat teilnehmen. Er hatte sich besser bewährt, als sie zu hoffen gewagt hatten. Ihre anderen Pferde tauchten zwar nicht vorn in der Rangliste auf, aber „Windy Dawn" würde heute Nachmittag an einem weiteren Turnier teilnehmen und vielleicht ebenfalls das Blaue Band gewinnen. Wenn ich es so lange aushalten kann, dachte Kendra. Sie musste sich eingestehen, dass es mit ihren Nerven nicht zum besten stand. Seit sie wusste, dass Raymond ebenfalls irgendwo auf der Zuschauertribüne saß, war es um sie geschehen. Auch die Spannung, dass ihre letzten beiden Pferde an den Start gehen mussten, um den Ruin von ihrer Ranch abzuwenden, zerrte an ihren Nerven. Sie durfte überhaupt nicht darüber nachdenken, dass sie am Nachmittag an einem Championat teilnehmen würde — das erste Mal nach immerhin zehn Jahren Pause.
Kendra verließ die Tribünen und eilte zu den Erfrischungsräumen. „Windy" würde in knapp einer Stunde an den Start gehen, und sie musste sich vorher noch umziehen.
Auf halbem Weg hörte Kendra plötzlich Raymonds Stimme. Doch das jagte ihr keinen Schreck mehr ein, denn seit Tagen war er immer dort erschienen, wo sie ihn am allerwenigsten vermutet hatte. Sie blieb stehen und sah sich um. Er saß auf einer der Zuschauerbänke, hatte die Beine auf der Bank davor ausgestreckt und seinen Hut über die Stirn gezogen, um die Augen vor der hellen Sonne zu schützen. In der einen Hand hielt er eine Bierdose, in der anderen eine Zigarette.
„Ich gratuliere", sagte er, nahm die Beine von der Bank, trat die Zigarette mit dem Stiefelabsatz aus und schlenderte zu ihr herüber.
„Danke." Kendra sah stirnrunzelnd zu ihm hinauf, um sich dann abzuwenden und auf ihre Stiefelspitzen zu blicken. „Du meinst ,Windsong', nicht wahr?" vergewisserte sie sich, um dann hinzufügen: „Es tut mir leid."
„Was tut dir leid?"
„Nun, ,Lakhana'." Das Pferd, das Raymond vor einem Monat so aufopfernd gepflegt hatte, war mit „Windsong" an den Start gegangen und geschlagen worden. Raymond brach in Lachen aus, was sie maßlos überraschte. „Manchmal denke ich, dass du zu gut für diese Welt bist. Besitzt du überhaupt kein Konkurrenzdenken? ,Lakhana' ist dritter geworden", wies er sie darauf hin. „Nicht schlecht für ein Pferd, das vor einem Monat kaum auftreten konnte. Beim nächsten mal wird es besser abschneiden, obwohl ich nicht weiß, ob ich es noch einmal gegen ,Windsong' antreten lassen werde."
„,Windsong' hat sich hervorragend gehalten", meinte Kendra nachdenklich. „Das Pferd ist alles, was wir noch besitzen. ,Restless Wind' und ,Windy Dawn' sind nur Lückenbüßer." Sie sah ihn offen an. „Das erinnert mich daran, dass ,Windy' in einer Stunde an den Start geht."
„Und du musst sie noch striegeln und satteln, nicht wahr?"
„Ich wünschte, es wäre nur das. Leider habe ich mich da auf etwas eingelassen." Fragend sah Raymond sie an: „Worauf?"
„Ich werde sie selbst reiten", erklärte sie ihm. „Das müsstest du eigentlich wissen", fuhr sie fort, „ich habe mich bereits durch drei Klassen durchgekämpft. Wo hast du denn in den letzten Tagen eigentlich gesteckt?" Kendra schwieg und blickte ihn nachdenklich an, denn seine Stirnfalte hatte sich während ihrer Erklärung sichtlich vertieft, und auch seine Kiefermuskeln zuckten leicht. „Was ist?" fragte sie daher.
„Nichts." Seine Miene hellte sich wieder auf. „Es tut mir leid. Die ,English Classes' musste ich leider auslassen."
Kendra wurde nachdenklich. Irgend etwas beschäftigte ihn, aber sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was es war. Schulterzuckend meinte sie: „Macht nichts. Ich habe auch meinen Stolz. Es ist mir lieber, dass du meine Versuche nicht gesehen hast."
Ihre Blicke trafen sich. Etwas in seinen Augen sagte ihr, dass er nicht in der Stimmung für oberflächliches Gerede war. „Du hast dich ganz gut gehalten für jemand, der seit Jahren aus der Übung war."
Kendra biss sich nervös auf die Lippen. „Ich glaube, ich muss gehen. Ich
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