Tiffamy Duo Band 29
einem Riff zu tauchen, seine Schönheit mit eigenen Augen zu sehen. Jetzt lag das wunderbarste Korallenriff der Welt direkt vor ihr. Vor einigen Jahren hätte sie keine Sekunde gezögert in ihren Taucheranzug zu steigen und das Riff zu erforschen — und jetzt war sie zu feige.
Du kannst doch nicht drei Wochen in diesem Zelt herumsitzen, sagte sie sich energisch. Im Moment ist Ebbe. Du wirst also nicht ertrinken, wenn du ein wenig am Strand entlangläufst oder in die Lagune hineinwatest.
Nachdem sie sich auf diese Weise Mut gemacht hatte, cremte sie sich mit Sonnenmilch ein, nahm ihr Handtuch und verließ das Zelt. Es war ein wunderschöner Morgen. Eine leichte Brise strich durch die schmalen, feinen Blätter der Casuarina-Bäume und kräuselte die Wasseroberfläche des Ozeans. Mandy ging durch das kleine Wäldchen zum Strand, breitete ihr Handtuch an einem schattigen Platz aus und blickte übers Wasser, das sie so faszinierte und ihr gleichzeitig solche Angst einjagte.
Die Lagune war von einzigartiger Schönheit. Dort, wo das Wasser am seichtesten war, lag ein durchsichtiger silbriger Schimmer über der Wasseroberfläche. Weiter draußen leuchtete es aquamarinblau. Jenseits der Lagune fiel das Riff in saphirblaue Tiefen ab, die so klar waren, dass es sich mit Worten nicht beschreiben ließ.
Da, wo das äußere Riff anfing, lag das offene Meer. Mandy bekam heftiges Herzklopfen, als sie zu dem weiten Ozean hinüberschaute. Schnell wandte sie den Blick von seiner gefährlichen Schönheit ab und konzentrierte sich auf den schmalen weißen Strand, der vor ihr lag. Die Zusammensetzung des Bodens überraschte sie immer wieder. Obwohl sie wusste, dass Korallenatolle keine normalen Inseln sind, fand sie es doch erstaunlich, kein Gramm Erde, nicht einmal einen Stein auf Lady Elliot zu finden. Auch die Vegetation war ungewöhnlich. Es gab keine Palmen, die sich im Wind wiegten, keine tief eingeschnittenen, nebelverhüllten Täler mit üppigen Farnen und tropischen Blumen. Es gab nur eine flache Oberfläche, die aus den sonnengebleichten Überresten Billionen kleinster Korallen bestand, ein paar spärliche Pflanzen und die kleinen dunkelgrünen Casuarina-Bäume.
Den Blick starr auf den weißen Boden gerichtet, wagte Mandy sich vorsichtig ans Wasser heran. Da das Camp auf der Seite der Insel lag, die die Lagune umschloss, brauchte sie keine Angst vor der Brandung zu haben. Die hohen Brecher überspülten nur die äußere, am Ende der Lagune gelegene Wand des Riffs. Da, wo Riff und Ozean sich trafen, verlief ein breiter Streifen weißschäumenden Wassers. Die Lagune selbst war still und friedlich. Nur winzig kleine Wellen kräuselten ihre Oberfläche.
Bei Ebbe führte die Lagune kaum Wasser. Deshalb konnte man die stumpfen Korallenformationen, die auf dem Boden der Lagune wuchsen, besonders gut sehen. Weil die winzigen Organismen nicht in Luft leben konnten, bestimmte der flachste, bei Ebbe erreichte Wasserstand die Höhe der Korallenformationen des inneren Riffs. Mandy beschattete ihre Augen gegen die gleißend helle Sonne und beobachtete einige Leute, die durch das innere Riff zum Ende der Lagune wanderten, wo der weiße Wasserstreifen das äußere Riff schäumend überspülte. Sie trugen Badeanzüge und Tennisschuhe und hatten Riff-Stöcke dabei, mit denen sie vor jedem Schritt die Stabilität der manchmal sehr wackligen Korallenformationen testeten.
Das könnte ich auch tun, dachte Mandy. Das Wasser ist doch nur knöcheltief. Und selbst an den tiefsten Stellen würde es mir nur bis an die Knie reichen. Ich könnte in die Lagune hinauswandern und mir Korallen anschauen, die ich bisher nur in Büchern gesehen habe. Es ist heller Tag, und es ist warm. Mir kann nichts passieren. Zuerst traute sie sich nur mit den Zehen ins Wasser. Es war so warm, dass sie es kaum spürte. Ihre Strandsandalen schützten zwar die Fußsohlen vor den scharfkantigen Korallen, konnten ihr jedoch im Wasser bei jedem Schritt von den Füßen rutschen. Wenn sie wirklich eine Riff-Wanderung unternehmen wollte, musste sie feste Tennisschuhe anziehen.
Ängstlich darauf bedacht, nicht mehr als ihre Zehen ins Wasser zu tauchen, watete Mandy am seichten Ufer entlang. Zunächst hatte sie dabei noch intensives Herzklopfen. Doch je intensiver sie sich darauf konzentrierte, die Korallen zu identifizieren, desto eher ließ das wilde Herzklopfen nach. Es gab sogar Minuten, in denen sie vergaß, wie nah sie dem Ozean war, der vor zwei Jahren ihren Mann und das
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