Tiffamy Duo Band 29
Regierung ihn ins Gefängnis geworfen und misshandelt und ihm die Bedeutung von Hilflosigkeit und Furcht beigebracht hatte. Er hatte es getan, weil er seine Selbstachtung verloren hätte, wenn er sich von seinen Ängsten hätte unterkriegen lassen. Mandy stand vor derselben Alternative, und niemand anderes als er konnte besser nachempfinden, was sie durchmachte.
Von seinem Versteck aus beobachtete Daniel, wie sie versuchte, sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen. Doch ihre Hände zitterten so sehr, dass sie es aufgab. Statt dessen warf sie die tropfnassen Strähnen mit einer schnellen, geschickten Kopfbewegung zurück. Nach drei vergeblichen Versuchen schaffte sie es zehn Minuten später noch einmal, das Gesicht unter Wasser zu tauchen. Aber wieder riss sie den Kopf sofort hoch.
Daniel wartete. Als Mandy sich erneut vorbeugte, kostete es ihn ungeheure Überwindung, nicht zu ihr zu laufen und sie an Land zu ziehen. Während er dastand und ihr zusah, verlor er jegliches Zeitgefühl. Endlich fand sie den Mut, ihr Gesicht drei volle Sekunden unter Wasser zu lassen. In dem Moment fragte er sich, ob sie wohl dasselbe Triumphgefühl empfand wie er.
Danach stand sie abrupt auf und schob ihre Maske zurück. Sie tat es so schnell und geschickt, wie es eigentlich nur jemand konnte, der diese Bewegung schon unzählige Male ausgeführt hatte. Im Nachhinein fiel Daniel auf, dass sie ihr nasses Haar genauso geübt zurückgeworfen hatte, eine Geste, die Vertrautheit mit dem Wasser verriet. Aber das war doch nicht möglich. Ein Mensch, der so große Angst vor Wasser hatte wie Mandy, konnte doch nicht schwimmen, geschweige denn tauchen. Mandy watete aus der Lagune. Dabei zog sie sich mit einer einzigen geübten Bewegung die Maske samt Schnorchel über den Kopf. Die meisten Anfänger fingerten ziemlich ungeschickt mit den Tauchgeräten herum. Sie blieben damit in ihrem Haar hängen, verzogen das Gesicht und bemühten sich verzweifelt, die starre Kombination über den Kopf zu ziehen, ohne sich dabei sämtliche Haare auszureißen. Daniel wusste keine Antwort auf seine Fragen. Aber er war entschlossen, sie zu finden. Sie beschäftigten ihn im Augenblick mehr als das brennende Verlangen, das Mandy in ihm geweckt hatte. Entschlossen verließ er das Wäldchen, um Mandy zu folgen.
12. KAPITEL
„Hallo, Schätzchen. Trocknen Sie sich ab", sagte Ray und warf Mandy ein Handtuch zu. „Ich hole Ihnen inzwischen ein Bier."
„Danke." Mandy fing das Handtuch auf und wischte sich den Regen und das Salzwasser vom Körper. In der kleinen Bar war es heiß und brechend voll. Die Taucher, die bei dem stürmischen Wetter an Land bleiben mussten, vertrieben sich die Zeit mit ihrem zweitliebsten Hobby: Sie sprachen übers Tauchen. Während sie mit ihrem Handtuch bei der Tür stand und in die Runde schaute, winkte Tommy ihr zu.
„Kommen Sie, Schätzchen. Setzen Sie sich zu uns!" rief er und zog mit dem Fuß Rays leeren Stuhl zu sich heran.
„Und Ray?" fragte Mandy.
„Welcher Ray?"
Mandy zögerte einen Moment, dann setzte sie sich. Sie war so erschöpft von den langen Stunden im Fischteich, dass sie die Möglichkeit, auf etwas Trockenem zu sitzen, einfach wahrnehmen musste. Ray schien es nicht zu stören, dass sie ihm den Stuhl weggenommen hatte. Er ging hinter den Tresen und holte sich einen Barhocker, den er neben Mandy stellte. Dabei brachte er gleich ein kaltes Bier mit.
„Hier", sagte er und hielt Mandy die Bierdose hin.
Das Bier schmeckte phantastisch. Nachdem sie die erste Dose geleert hatte, kehrten ihre Lebensgeister allmählich zurück. Lächelnd hörte sie der unglaublichen Haifisch-Story zu, die Tommy gerade zum besten gab. Als Ray ihr die leere Bierdose aus der Hand nahm und ihr eine volle hinhielt, blickte sie ihn überrascht an. Er schenkte ihr ein so umwerfendes Lächeln, dass sie das Bier auf gar keinen Fall zurückweisen konnte. Außerdem schmeckte es viel zu gut.
Die Geschichten der Taucher wurden immer unglaublicher. Der eine wollte einem Rochen von der Länge der Bar begegnet sein, ein anderer berichtete von einem acht Meter langen Hai. Als die Reihe an Mandy kam, prickelte ihr das zweite Bier im Blut, während sie das dritte bereits in der Hand hielt. Sie überlegte nicht lange. Das Bedürfnis, ihre Unterwasser-Erlebnisse mit anderen Tauchern zu teilen, war zu groß.
„Ich bin einmal in der Scammon-Lagune, an der Westküste des kalifornischen Golfs, mit den Grauwalen geschwommen", sagte Mandy leise, während sie
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