Tiffamy Duo Band 29
sich den Zauber der Begegnung ins Gedächtnis zurückrief. „Die Sicht betrug etwa neun bis zwölf Meter. Das Wasser schien sich zu riesigen blauen Schatten zu verdichten, als die Wale am Rand meines Sichtfeldes auftauchten."
„Grauwale? Wandern die nicht jedes Jahr von Alaska nach Mexiko?" fragte Tommy. Mandy nickte.
„Erzählen Sie uns mehr darüber", forderte Ray sie auf. „Keiner von uns hat jemals einen Wal aus der Nähe gesehen."
Angespornt durch die Begeisterung der Männer, sprach Mandy weiter. Jedoch nicht, ohne vorher einen tiefen Schluck von ihrem dritten Bier genommen zu haben.
„Ein weibliches Tier war besonders neugierig", erzählte sie. „Es tauchte aus dem Nichts auf, schwamm auf mich zu, wurde größer und größer und schien überhaupt nicht mehr aufzuhören. Es war so groß, dass ich in dem trüben Wasser seine volle Körperlänge gar nicht erkennen konnte. Es muss über zehn Meter lang gewesen sein. Ich hing im Wasser wie eine Fliege. Ich hatte schreckliches Herzklopfen — vor Spannung, nicht vor Angst. Grauwale sind nämlich ausgesprochen gutmütig."
Mandy schwieg einen Moment. Mit der kalten Bierdose kühlte sie ihre Wangen. Dann sprach sie weiter.
„Sie betrachtete mich zuerst mit dem einen und dann mit dem anderen Auge. Bei jeder ihrer Bewegungen wurde ich von einer mittelgroßen Flutwelle erfasst, so gewaltig waren die Wassermassen, die ihr riesiger Körper verdrängte. Sie war ganz dicht vor mir, so dicht, dass ich die Hand ausstreckte, um zu sehen, wie sie darauf reagieren würde." Mandy lachte laut auf, so faszinierend war die Erinnerung. „Sie machte eine Drehung, damit ich ihr die Nase reiben konnte."
„Na so was", sagte Ray und schüttelte verwundert den Kopf.
Mandy schaute lächelnd in die Runde. „Später erfuhr ich, dass sie zu einer Gruppe von Walen gehörte, die Wissenschaftlern und Touristen innerhalb der Lagune überallhin folgten. Sie tauchten neben den Schiffen und ließen sich von den Leuten anfassen."
Die Männer lachten ungläubig. Dann bombardierten sie Mandy mit Fragen. Die Gewässer an der Westküste der nördlichen Hemisphäre waren für die Australier genauso exotisch wie für Mandy das Große Barrierriff.
„Habt ihr jemals frische kalifornische Abalonen gegessen?" fragte sie. „Sie schmecken wie eine Mischung zwischen Krebs und Hummer. Und wie bei allem, was wirklich gut schmeckt, kommt man nur schwer an sie heran. Man muss so tief tauchen, bis das Wasser schwarz wird und die Kälte durch den Taucheranzug dringt, lange bevor der Sauerstoff verbraucht ist. Die Tiere lassen sich nur mit einer Brechstange vom Felsen lösen. Aber die Mühe lohnt sich. Wenn ihr es nicht glaubt, müsst ihr mal einen Seeotter fragen."
„Sie haben Seeottern gesehen?" erkundigte sich Tommy eifrig. „Ich würde alles darum geben, wenn ich einmal mit den Ottern tauchen könnte."
„Sie würden es nur schwer mit ihnen aufnehmen können. Sie sind nämlich genauso raffiniert und verschlagen, wie sie aussehen. Sie können schneller schwimmen als Lachse, sie lieben die Jagd, und sie sind schrecklich verspielt. Außerdem sind sie die liebevollsten Mütter, die ich jemals in der Tierwelt gesehen habe. Wenn die Babys groß genug sind, um mit den Eltern auf Futtersuche zu gehen, nehmen die Mütter die Kleinen mit hinauf an die Oberfläche der Seetang-Wälder. Sie wickeln sie sorgfältig in die langen Tangwedel und tauchen dann nach Leckerbissen." Einen Moment hing Mandy schweigend ihren Erinnerungen nach. Dann sagte sie leise: „Ich werde die Monate, in denen ich mit den Ottern getaucht bin, nie vergessen. Manchmal träume ich, dass ich wieder bei ihnen bin und mit ihnen in den Kelp-Wäldern Verstecken spiele ..."
Ray und Tommy tauschten vielsagende Blicke aus. Jeder schien den anderen aufzufordern, die entscheidende Frage zu stellen. Aber bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, sprach Daniel.
„Warum hast du das Tauchen aufgegeben?"
Die Realität traf Mandy wie ein Schlag ins Gesicht. Ihr Lächeln schwand, ihre Züge wurden starr. Langsam stellte sie die Bierdose auf den Tisch und schob ihren Stuhl zurück. Ohne irgend jemanden anzusehen, wandte sie sich ab und ging zur Tür.
„Mandy", sagte Daniel, als sie an ihm vorbeigehen wollte.
Seine Stimme klang hart. Er legte ihr die Hand auf den Arm, um sie zurückzuhalten. Doch Mandy hatte bereits die Tür geöffnet. Einen Augenblick starrte sie in die silbernen Regenschleier.
„Weil ein Unfall passierte, habe ich es
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