Tiffany Duo 40
hereingekommen? Oder
war es jemand anders aus dem Haus? Claire nahm an, dass man ein Schloss öffnen
konnte, ohne Spuren zu hinterlassen, wenn man wusste, wie.
Sie schaute sich in der Küche um und wurde sich plötzlich der Stille bewusst. Nervös stieß sie die Luft aus. Was soll das, Claire? munterte sie sich auf. Sie konstruierte die unangenehmste Geschichte, ohne auch nur den geringsten Beweis zu haben.
Vermutlich würde es eine vollkommen einfache Erklärung geben. Sie hatte im Laufe
der Woche die Angebote mehrmals selbst herausgenommen und sie wieder
zurückgelegt. Daran erinnerte sie sich. Das bewies aber noch nicht, dass sie es auch heute getan hatte.
Vielleicht hatte sie sie heute nicht in den Ordner zurückgesteckt, sondern sie einfach in den Koffer unter die Korrespondenz geschoben. Heh, sagte sie sich, niemand ist
perfekt. Sie ordnete die einzelnen Blätter wieder, legte sie neben die
Schreibmaschine und begann, den Bericht an Ron zusammenzustellen.
Sie schaffte es, alle wichtigen Punkte auf zwei Seiten aufzulisten, und erklärte die Kürze des Berichts am Ende der Seite mit einem Hinweis darauf, dass sie so
beschäftigt war. »Wenn ich etwas vergessen haben sollte«, fügte sie hinzu, »werde
ich es später nachtragen. Jetzt muss ich mich zu sehr beeilen, das hier zur Post zu
bringen.«
Als Claire diesen Satz schrieb, machte es bei ihr plötzlich »klick«. »... zu sehr in Eile, um mir die Zeit zu nehmen, es richtig zu machen.« Der Satz schoss durch ihren Kopf,
anscheinend ausgelöst durch einen ähnlichen Satz in ihrem Bericht.
»Zu sehr in Eile, um mir die Zeit zu nehmen, es richtig zu machen.« Was ist »es«?
fragte sie sich, und was bedeutete das? Sie schloss die Augen und versuchte, sich an mehr zu erinnern. Nichts. Sie öffnete die Augen wieder und wiederholte
den Satz laut. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte sie den Satz wütend geäußert.
Aber wann? Und wem gegenüber? Vielleicht hatte sie sich mit jemandem bei der
Arbeit gestritten. Ron? Sie hatte in Atlanta eng mit ihm zusammengearbeitet und
mehr Zeit mit ihm verbracht als mit jemand anderem. Sie hatten sich einige Male
heftig gestritten, aber Ron hatte sie immer ermuntert, ihre Meinung zu äußern. Sie
konnte sich nicht daran erinnern, jemals einen wirklich bösen Streit mit ihm gehabt
zu haben. Er war statt dessen immer bemerkenswert liebenswürdig gewesen, wenn
man den Stress bedachte, dem er ausgesetzt war.
Aber vielleicht hatte dieser Streit gar nichts mit dem Geschäft zu tun? Vielleicht
hatten Ron und sie sich gestritten, als er ihr den Heiratsantrag gemacht hatte? Hatte sie ihn beschuldigt. zu hastig vorzugehen, zuviel Druck auf sie auszuüben? Das klang nicht nach Ron.
Claire fuhr sich mit unsicheren Händen durchs Haar und zog die letzte Seite des
Berichts aus der Schreibmaschine. Vermutlich war es gar keine wirkliche Erinnerung,
sondern etwas, was sie vielleicht in einem Film oder einer Fernsehshow gesehen
hatte.
Das Telefon klingelte in dem Moment, als Claire gerade den Umschlag adressiert
hatte. Sie nahm den Hörer ab, während sie das Kuvert zuklebte. »Hallo.«
Es war Oliver. »Ich bin froh, dass ich dich endlich erreiche, Claire. Ich habe dich
schon früher angerufen, aber du warst nicht zu Hause.«
»Ich war geschäftlich unterwegs.«
»Kommst du mit mir nach Tel Aviv?«
Seine Stimme gab ihr keinen Hinweis darauf, welche Antwort er erwartete, sondern
klang eher brüsk. Claire senkte einen Moment unschlüssig den Kopf.
Hilf mir, flehte sie im stillen. Sag mir, dass du bei mir sein willst. Sie umklammerte den Hörer fest, während sie sich all die Argumente ins Gedächtnis rief, die sie in der Nacht erwogen
hatte. Aber sie konnte sich in diesem Moment an keins erinnern, und letztlich
zählten sie auch nicht.
»Ja«, sagte sie ruhig.
»Kannst du heute Abend um sechs fertig sein?« hörte sie da eine Spur Freude in
seiner Stimme? Claire war sich nicht sicher, und irgendwie klang Oliver so, als
arrangierte er ein Treffen mit einer Fremden. »Du solltest besser etwas essen, bevor wir gehen. Wir machen keine Pause, und am Sabbath haben nur wenige Restaurants
geöffnet.«
»Gut, ich werde dann fertig sein.« Selbst als Claire Olivers »Auf Wiedersehen« hörte und den anschließenden Summton der toten Leitung, drängte sich ihr die
Erinnerung auf an eine stürmische Umarmung in einem Garten über Jerusalem.
Claire war zu dem Schluss gekommen, dass es sie nur frustrieren würde,
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