Tiffany Duo 40
ihm eins wurde. Nie zuvor hatten sie einen
berauschenderen Höhepunkt erlebt.
In dieser Nacht liebte Oliver sie immer wieder, und das Morgengrauen erhellte
schon den Horizont, als Claire endlich in einen tiefen traumlosen Schlaf fiel. Als sie erwachte, brannte die Sonne heiß auf ihre Haut. Sie hob den Kopf und sah, dass
Oliver nicht da war. »Oliver!«
Aber niemand antwortete. Claire richtete sich auf und schlug die Laken zurück. In
diesem Moment sah sie die Notiz auf dem Nachttisch. Sie nahm sie und las.
»Ich habe heute morgen dringend etwas zu erledigen. Deshalb müssen wir unseren
Ausflug zu Hezekiahs Tunnel verschieben. Pass auf dich auf. Ich liebe dich. Oliver.«
Die Notiz war genauso nichtssagend wie die Gespräche mit Oliver. Claire legte den
Zettel frustriert auf den Tisch zurück und fuhr sich mit den Händen durch das wirre
Haar. Was konnte sich zwischen gestern, als sie den Ausflug geplant hatten, und
heute morgen verändert haben? Oliver hatte nur mit ihr geredet. Noch ein
Geheimnis, dachte Claire, während sie das Bett verließ. Sie war von lauter
Geheimnissen umgeben.
Eine heiße Dusche und eine Tasse Kaffee machten sie hellwach. Sie ging in der
Wohnung auf und ab und versuchte,
Antworten auf die Fragen zu finden, die sie seit Tagen verdrängt hatte. Was hatte
Bob Green mit Oliver zu tun? Wieso hatte Oliver ihr nicht gesagt, dass er Reporter
war? Green wusste von Janets Krankheit, für die Oliver jemand anderem die Schuld
zu geben schien. Außerdem fiel ihr auf, dass Oliver nie den Namen seines Verlages
genannt hatte. Das musste nichts zu bedeuten haben, aber es kam ihr seltsam vor.
Plötzlich drängte sich etwas in Claires Bewusstsein, und sie versuchte, es klar zu
sehen. Es hatte mit Olivers Schwester Janet zu tun, deren Mann Ted hieß. Janet, die
in New Orleans lebte. Ein Ted Burgess aus New Orleans war in der Zeitung zitiert
worden, und seine Frau war gelähmt, nachdem sie Wileys Asthmamedikament
Wiamcyn genommen hatte. War Ted Burgess Olivers Schwager?
Claire holte tief Luft. So, nun hatte sie den lange schwelenden Verdacht endlich
ausgesprochen. Wenn Burgess' Frau Olivers Schwester war, würde das einiges
erklären. Dann wären »Wiley Pharmaceutics« die Schuldigen, die Oliver für seine
Schwester zahlen lassen wollte. Und Bob Green konnte die Geschichte darüber
schreiben. Und wenn Oliver ihm erzählt hatte, dass sie, Claire, für Wiley arbeitete, dann würde das sein Unbehagen in ihrer Gegenwart erklären. Und es würde auch
erklären, warum Oliver ihr nicht gesagt hatte, für wen Green arbeitete.
Wenn ihr Verdacht stimmte, war Janet Burgess eine der Klägerinnen in dem Prozess
gegen Wiley. Je länger sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien es
ihr. Aber es tauchten noch mehr und noch viel beängstigendere Gedanken auf.
Anscheinend hatte Oliver ihr absichtlich nicht gesagt, dass Janet seine Schwester
war. Sie musste Oliver zur Rede stellen, egal, wie schmerzlich die Wahrheit auch sein mochte.
Claire ging zum Telefon und wählte Olivers Nummer, aber es hob niemand ab.
Ruhelos ging sie in ihrer Wohnung auf und ab. Sie war zu aufgeregt, um zur Arbeit zu gehen, aber sie musste hinaus, egal, wohin, und irgend etwas unternehmen.
Dann wusste sie, was sie tun würde. Sie würde das machen, was sie und Oliver
ursprünglich vorgehabt hatten, bevor er seine Meinung aus irgendwelchen
geheimnisvollen Gründen geändert hatte. Sie würde Hezekiahs Tunnel besuchen.
Allein.
Der Tunnel war eine berühmte Sehenswürdigkeit. Er hatte dazu gedient, Jerusalem
mit frischem Wasser zu versorgen, damals, als Judäa zwischen den großen
Königreichen Ägypten und Assyrien eingeschlossen lag. Claire hatte eine
Taschenlampe mitgenommen und trug alte Segeltuchschuhe, eine blaue Bluse und
eine Wanderhose, weil sie wusste, dass oft Wasser im Tunnel stand. Der Bus hielt
ein Stück vor dem Eingang zum Tunnel, der vor dreitausend Jahren fast eine halbe
Meile durch härtesten Felsen gehauen worden war.
Claire ging den Rest des Wegs zu Fuß und hoffte, dass sie sich einer Touristengruppe würde anschließen können. Sie hatte Glück. Am Tunneleingang traf sie auf zwei
Ehepaare, die gerade mit einem Führer das Innere betreten wollten.
»Darf ich Sie begleiten?« fragte Claire eine der Frauen.
»Natürlich. Ich würde da auch nicht allein hineingehen wollen!« Die Frau sprach mit
einem starken britischen Akzent.
»Ich bin Claire Weston«, sagte Claire und
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