Tiffany Duo 40
darin, erneut versuchen, den Fahrer
des Wagens zu finden, der sie damals gerammt hatte und der vermutlich von Ron
Wiley bezahlt worden war, um Claire zu töten. Aber ohne den Fahrer konnten sie
Wiley nicht vor Gericht stellen, denn er bestritt alles.
Claire hatte die drei Wochen genossen. Die Insel, die Landschaft und der beruhigend
wogende Atlantik waren Balsam für ihre Nerven, und erst Großmutter! Ihre
Gegenwart und unaufdringliche Hilfe waren genau das gewesen, was Claire
gebraucht hatte.
Erst nach zehn Tagen hatte sie mit ihrer Großmutter über alles reden können.
Deren erste Reaktion war gewesen: »Ich hoffe nur, dass Ron Wiley teuer für alles
bezahlen muss, was er getan hat.«
»Das wird er, Großmutter, selbst wenn man ihm nicht nachweisen kann, dass er
hinter den Anschlägen auf mein Leben steckt. Der Wiamcyn-Skandal hat die
Glaubwürdigkeit der Firma zerstört, und wenn Wiley das übersteht, wird er ganz von
vom anfangen müssen. In jedem Fall werden die Aktionäre aber sicherlich Rons
Rücktritt verlangen. Und ich weiß nicht, ob sein
Stolz das verträgt. Fast tut er mir leid.«
Großmutter hatte Claire lange angesehen. »Es ist gut, zu wissen, dass du trotz der
schlimmen Dinge, die du erlitten hast, noch Mitleid empfinden kannst. Sonst
würdest du auch schnell zu einer verbitterten, einsamen Frau.« Mehr sagte sie nicht
dazu, aber Claire wusste, dass ihre Großmutter an Ron Wileys Fehler genauso
dachte wie an Olivers.
Claire klappte das Buch zu und steckte es in ihren Rucksack. Sie hatte sowieso nicht mehr gelesen. Sie stützte sich mit den Händen ab, legte den Kopf in den Nacken und
schaute in den blauen Himmel. Dort zogen ein paar weiße Wolken vorbei, und einen
Moment lang stellte Claire sich vor, dass sie selbst dort oben schwebte. Sie schloss die Augen. Was macht Oliver wohl gerade? fragte sie sich. War er in New York oder
recherchierte er woanders für eine Geschichte? Sie wünschte sich, sie hätte seine
Artikel mitgenommen. Sie zu lesen würde ihn ihr näher bringen, würde die Stunden
zurückbringen, die sie miteinander verbracht hatten. Sie wünschte sich, diese
Stunden noch einmal zu durchleben, bevor sie die Insel verlassen und ein neues
Leben beginnen würde.
Dann fragte sie sich, ob er jemals so dasaß und sich vorstellte, mit ihr zusammen in Israel zu sein. Einen Moment lang hatte Claire das Gefühl, dass die heiße Sonne des
Nahen Ostens auf sie herunterschien und dass der feine Sand von Petra und
Qumram in ihren Schuhen scheuerte. Sie konnte die gewundenen Straßen der
Altstadt erkennen und den modernen Luxus des Hotels in Tel Aviv, wo Oliver und sie
sich das erste Mal geliebt hatten. Sogar das zerwühlte Bett in ihrer Jerusalemer
Wohnung fiel ihr ein, in dem sie sich ihre Liebe gestanden hatten und wo sie von
ihm Abschied genommen hatte.
Claire öffnete die Augen und stand auf. Sie ging am Leuchtturm und an einigen
kleinen Geschäften vorbei auf das Landhaus ihrer Großmutter zu. Die Ruhe auf der
Insel verführte dazu, sich nur mit dem Heute zu beschäftigen. Aber sie musste
langsam Pläne für die Zukunft schmieden. Claire brauchte die
Herausforderung einer Arbeit, die ihr Freude machte, ganz abgesehen vom Geld. Sie
brauchte die Hektik einer Stadt und Freunde in ihrem Alter. Wenn sie zu Hause war,
würde sie einige Telefonate wegen der Bewerbungen führen, die sie verschickt
hatte.
Antoinette Davis Randolph beobachtete ihre Enkelin, als sie Tee in zwei hauchdünne
Tassen füllte. Claire sah nicht mehr so aus wie die blasse, verzweifelte und
unglückliche junge Frau, die vor mehr als drei Wochen hier angekommen war. Das
viele Spazieren gehen hatten Claires gesunde Gesichtsfarbe und ihren gesunden
Appetit wiedererweckt. Rein körperlich war sie in hervorragender Verfassung, und
jetzt sprach sie schon davon, abzureisen, wenn sie sich zwischen zwei Angeboten
entschieden hatte, die sie erhalten hatte. Eines war aus Boston, das andere aus
Washington. Aber Antoinette kannte ihre Enkelin gut genug, um zu wissen, dass
Claire länger als einen Monat brauchen würde, um den Mann zu vergessen, den sie
in Israel verlassen hatte. Aber wenigstens sprach sie begeistert von ihrem Beruf.
Antoinette war stolz auf ihre Enkelin.
Dennoch dachte sie, dass Claire mehr verdiente, als das, worauf sie sich einließ. Ihre Enkelin sollte alles haben: Erfolg im Beruf, einen Mann und Kinder. Sie selbst hatte in ihren siebzig Jahren gelernt, dass Stolz
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