Tiffany Duo 40
sie ins Cafe hinunter, band sich eine Schürze um und übernahm ihre Pflichten
als Kellnerin.
Abends kam Ray todmüde nach Hause. Er war von Rinderhufen getreten worden,
und das Lasso hatte seine Hände fast wundgerieben. Bald würden die Kühe kalben
und ihm zusätzliche Arbeit aufbürden, insbesondere, wenn eine
Kaltfront heraufzog.
Als er sah, dass der Ford verschwunden und das Haus dunkel war, stockte sein
Atem. Er starrte auf die schwarzen Fenster, und ein wilder Zorn stieg in ihm auf,
vermischt mit einer seltsamen Trauer. Nie hätte er gedacht, Madelyn würde ihn
verlassen. Er hatte erwartet, sie würde hierbleiben und den Kampf mit ihm
ausfechten wie schon so oft. Statt dessen war sie davongefahren. Gequält schloss er
die Augen, von der bitteren Erkenntnis durchdrungen, dass nun genau das
geschehen war, was er anfangs befürchtet hatte. Sie entpuppte sich als
oberflächliche, habgierige Frau - unfähig, harte Zeiten zu überstehen, und deshalb
zog sie es vor, zu ihrem früheren komfortablen Lebensstil zurückzukehren.
Und sie hatte sein Baby mitgenommen.
Dieser Verrat erschien Ray schlimmer als alles, was Alana ihm angetan hatte. In
wachsendem Maße war er bereit gewesen, Madelyn zu vertrauen, eine Zukunft mit
ihr ins Auge zu fassen, nicht nur ein paar gemeinsame Monate. Sie hatte in seinem
Bett gelegen und ein Kind empfangen, fast ein Jahr lang mit ihm gelebt, für ihn
gekocht, seine Sachen gewaschen, mit ihm gescherzt, an seiner Seite gearbeitet, in
seinen Armen geschlafen.
Und dann war sie ihm in den Rücken gefallen - ein Alptraum, den er nun zum
zweitenmal durchmachte.
Langsam, mit schleppenden Schritten ging er ins Haus. Keine Wärme, keine
verlockenden Düfte empfingen ihn in der Küche, kein Geräusch außer dem Surren
des Kühlschranks und dem Ticken der Uhr. Wider sein besseres Wissen hegte er die
verzweifelte Hoffnung, Madelyn hätte aus irgendwelchen dringenden Gründen
plötzlich wegfahren müssen und eine Nachricht hinterlassen. Er durchsuchte alle
Räume, fand aber keinen Zettel.
Der Schrank des Schlafzimmers, das sie in der letzten Nacht benutzt hatte, war leer, ihre Kosmetika standen nicht mehr im Bad. Er hatte sich noch nicht daran gewöhnt,
in seinem
Schrank keine Kleider von Madelyn hängen zu sehen. Aber im ganzen Haus nichts
von ihren Sachen zu finden, wirkte geradezu beklemmend.
Um endgültige Gewissheit zu erlangen, ging er schließlich in das Zimmer, wo sie ihre
»New Yorker« Garderobe verwahrt hatte. Er öffnete den Kleiderschrank, und dann
starrte er auf die Seidenblusen unter den Plastikhüllen, die schicken Kostüme, die
hochhackigen Schuhe in allen Farben. Die Sachen verströmten schwachen
Parfumduft.
Ray rannte die Treppe hinab. Im Wohnzimmer sah er Madelyns Bücher, ihre
Stereoanlage. Sie hatte ziemlich viel zurückgelassen, also würde sie wiederkommen
- wahrscheinlich tagsüber, wenn sie glaubte, er wäre auf der Weide. Dann würde sie
ihr restliches Eigentum holen und für immer abreisen, ohne ihm noch einmal zu
begegnen.
Aber wenn sie nach New York zurückkehren wollte - warum hatte sie dann die
Ranchkleidung mitgenommen und die eleganten Sachen dagelassen, die sich nur für
die Großstadt eigneten?
Aber wer konnte schon wissen, warum Madelyn dies oder jenes tat, fragte er sich
müde. Wieso hatte sie den Kredit zurückgezahlt, obwohl sie wusste, dass er gerade
das nicht ertragen würde, angesichts der früheren Ereignisse?
Noch nie in seinem Leben war er so wütend gewesen, nicht einmal damals vor
Gericht, als man ihn gezwungen hatte, Alana die Hälfte seines Vermögens zu
überlassen. Von ihr hatte er nichts anderes erwartet. Oft genug hatte sie
demonstriert, wie rachsüchtig und halbherzig sie sein konnte. Aber von Madelyn
war er noch viel empfindlicher getroffen worden. Wann immer er sich daran
erinnerte, löschten Schmerz und Zorn alle anderen Gedanken aus.
Nun, jetzt war sie weg, und er würde genug Zeit finden, um über seine zweite Ehe
nachzudenken. Jedenfalls würde sie eine unangenehme Überraschung erleben,
wenn sie zurückkam, um ihre restlichen Sachen zu holen. Gleich morgen früh wollte
er alle
Türschlösser' auswechseln.
Und jetzt würde er etwas tun, wozu ihn nicht einmal Alana gebracht hatte. Er würde
die Whiskeyflasche holen, die schon so lange im Schrank stand, und sich betrinken.
Vielleicht konnte er danach schlafen - auch ohne Madelyn an seiner Seite.
Am nächsten Morgen fühlte Ray sich
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