Tiffany Duo 48
wieder
frei. Diesmal war Allison an der Reihe, alles richtig zu machen.
"Kopf hoch, Sybil", munterte sie sich selbst halblaut auf, als sie langsam die Treppe hinabstieg. "So schlimm, wie du es dir vorstellst, kann es gar nicht werden."
"Saralee!" Allison stand unten an der Treppe, und ein großer, gutaussehender Mann, der Sybil seltsam bekannt vorkam, stand hinter ihr und hatte die Hände
besitzergreifend auf ihre Schultern gelegt. "Komm, ich will dir deinen zukünftigen Schwager vorstellen!"
Sybil setzte ein unechtes Lächeln auf und hob den Kopf. Sie sah direkt in Geoffrey
van der Slings hinreißende blaue Augen. Augen, in denen sich nicht das geringste
Wiedererkennen
spiegelte.
***
"Du mußt verrückt sein, bei einem solchen Sturm zurückzufliegen", schalt Emmy und warf ihrer Schwester einen besorgten Blick zu, während sie in Richtung Newark
Airport fuhren. "Du weißt ja nicht einmal, ob du überhaupt einen Flug bekommst,
geschweige denn, ob heute noch Maschinen starten."
"Das Wetter ist in Ordnung." Sybil kuschelte sich in den weichen Beifahrersitz. "Nur ein wenig bewölkt. Bestimmt gibt es keine Startschwierigkeiten."
"Aber in Vermont tobt ein Blizzard!"
"Ach, Unsinn, es schneit nur etwas heftiger. Wahrscheinlich bekomme ich ohnehin
nur einen Flug mit Zwischenlandung in
Logan. Bis wir dann in Burlington ankommen, hat es sicher aufgehört zu schneien,
und die Straßen sind geräumt. Falls nicht, kann ich auch in einem Motel
übernachten und morgen nach Danbury weiterfahren."
"Warum kehren wir nicht einfach um nach Princeton, und du fliegst morgen? Noch
besser, warte bis Mittwoch, so lange wolltest du ursprünglich ohnehin bleiben.
Weshalb willst du denn überhaupt schon so zeitig wieder nach Hause? Es ist doch
erst Sonntag, deine Hunde sind bestimmt gut versorgt."
"Ich sagte dir doch, Annie hat gerade sieben Welpen geworfen", log Sybil ungeniert.
"Ich kann Dulcy nicht damit allein lassen."
"Ich glaube dir nicht", stellte Emmy fest.
Sybil sah zu ihrer hochschwangeren Schwester, auf ihre wundervolle naturblonde
Mähne und in ihre mitfühlenden blauen Augen. Emmy war immer diejenige
gewesen, mit der sie am besten reden konnte und die noch am ehesten verstand,
wie es war, sich als Außenseiter zu fühlen.
Sybil wollte zu einer erneuten Lüge greifen, überlegte es sich dann aber anders. "Du hast recht."
"Möchtest du mir nicht sagen, wo das Problem liegt? Es muß irgend etwas sein, das gestern abend geschehen ist, soviel ahne ich bereits."
Sybil starrte auf ihre behandschuhten Finger. "Es ist wegen Geoff."
"Geoff?" echote Emmy. "Allisons Geoff? Der Senator?"
"Der jüngste Senator in der Geschichte New Jerseys, der aufgehende Stern der
Republikaner, der charmante, gutaussehende, hervorragende Geoffrey van der
Sling. So ist es."
"Und du kannst ihn nicht ausstehen?" vermutete Emmy. "Ich verstehe nicht, weshalb! Gut, er ist ein klein wenig großspurig und sicher wesentlich konservativer
als du, aber dazu gehört schließlich auch nicht viel. Was hast du denn gegen ihn?"
"Nichts."
Das Wort blieb bedeutungsschwer im Raum hangen. "Ach so", meinte Emmy
plötzlich gedehnt, jetzt verstand sie. "Ich erinnere mich."
"Genau. Geoffrey van der Sling war meine heißeste, dramatischste Jugendliebe
überhaupt. Ich schrieb seinen Namen überall in meine Hefte, ich malte mir unsere
Hochzeit aus und überlegte mir, wie unsere Kinder heißen sollten."
"Sybil..." begann Emmy geduldig, und wieder einmal war Sybil froh, daß ihre Schwester die einzige aus der Familie war, die sie nicht Saralee nannte. "Du kannst doch nicht immer noch in ihn verliebt sein!"
"Natürlich nicht. Wie du schon sagtest, er ist großspurig, konservativ und für meine Begriffe stocklangweilig."
"Aber wo steckt denn das Problem?"
Sybil seufzte schwer. "Er hat sich nicht an mich erinnert."
"Hätte er das tun sollen?"
"Aber nein!" erwiderte Sybil bitter. "Weder damals noch heute hat mich je einer genauer angesehen. Nicht, solange meine Schwestern auch dabei waren. Ich habe
mit ihm für die Schülerzeitung gearbeitet, ich bin mit ihm im Schultheater
aufgetreten, ich bin sogar den Jungen Republikanern beigetreten und habe seine
Kampagne für den Studentenrat geleitet."
"Du bist den Jungen Republikanern beigetreten?" wiederholte Emmy fasziniert. "Das muß ja wirklich Liebe gewesen sein!"
"Ich habe ihm jedes Wort von den Lippen abgelesen, Besorgungen für ihn erledigt
und überhaupt alles getan, was er mir auftrug.
Weitere Kostenlose Bücher