Tiffany Duo 48
Und dann erinnert er sich nicht
einmal an mich", sagte Sybil.
"Gut, ich gebe zu, das ist ziemlich mies. Trotzdem verstehe ich nicht, daß du
wegläufst, nur weil Geoffrey van der Sling ein schlechtes Gedächtnis hat. Es sei
denn, ganz tief im Innern willst du ihn immer noch."
"Ich will ihn nicht", widersprach Sybil energisch. "Nicht einmal auf dem Silbertablett.
Nun, genau das gehört wahrscheinlich zu meinem Problem dazu. Ich mag ihn nicht,
ich will ihn nicht, und doch fühle ich mich absolut elend. Es ist völlig albern, aber ich möchte jetzt nur noch nach Vermont zurück und mich dort vergraben."
"In Ordnung. Ich halte das übrigens nicht für albern", fügte Emmy hinzu. "Es ist eben nur ein weiteres Ereignis, daß deine absurden Minderwertigkeitsgefühle schürt."
Sybil brachte ein schiefes Lächeln zustande. "Schön, wie du immer die Dinge beim Namen nennst."
"Nicht zuletzt deshalb hast du mich dich ja zum Flughafen fahren lassen." Emmy nahm einen gewagten Spurwechsel im dichten Verkehr vor. "Ich werde dir etwas
erzählen, obwohl ich Henry fest versprochen habe, es nicht zu tun."
"Warum will Henry, daß du etwas von mir geheimhältst? Ich bin doch nun wirklich
keine Gefahr."
"Weil ich schon fünfunddreißig bin, haben wir bei dieser Schwangerschaft eine
Fruchtwasseruntersuchung machen lassen. Nach zwei Jungen bekommen wir nun
endlich ein Mädchen. Und wir sind uns einig - das wird eine kleine Sybil."
Sybil starrte Emmy fassungslos an und kämpfte gegen ihre aufsteigenden Tränen an.
"Aber was ist mit den anderen? Oder solltet ihr sie nicht überhaupt lieber nach
Mutter benennen?"
"Nein, nicht Rebecca", wehrte Emmy entschieden ab. "Nicht Hattie, nicht Allison, nicht einmal Saralee. Sie soll Sybil heißen und wird in einem Monat dein Patenkind
sein. Also, Kopf hoch! Das ist doch viel besser, als eines Tages irgendeinen Senator
zu heiraten!"
"Du hast recht." Sybils Stimme klang ganz rauh vor Bewegtheit, daß Emmy sie so gut verstand. "Und wer weiß, bei ihrem Glück landet Allison vielleicht irgendwann sogar im Weißen Haus."
"Ja, die Ärmste", stimmte Emmy mitfühlend zu. "Komm, laß uns froh sein, daß es uns so gutgeht. Hast du Lust, in ein Flughafenrestaurant zu gehen? Wie üblich sterbe
ich fast vor Hunger, und dein Flug geht erst in einer guten Stunde.
"Eine prima Idee."
Die Maschine sollte Sonntag nachmittag um drei starten. Um fünf schließlich fuhr
Emmy zurück nach Princeton. Um sechs wurden die Passagiere aufgerufen, um
sieben wurde alles rückgängig gemacht. Erneuter Aufruf um neun, aber erst um
Viertel nach elf startete das Flugzeug dann tatsächlich.
In Logan Airport ging es zu wie in einem Irrenhaus. Trotz des schlechten Wetters
starteten und landeten Flugzeuge, sie schlitterten über vereiste Rollfelder und
kamen schließlich sicher zum Stehen, während sich die Passagiere schweißgebadet
an ihren Armlehnen festkrallten.
Sybil stieg mit den anderen Passagieren aus. Sie war froh, der beklemmenden Enge
der Maschine wenigstens für kurze Zeit zu entkommen, bis sie an Bord ihres
Anschlußflugs nach Burlington gehen konnte.
Die Wartehalle am Gate war nur schwach beleuchtet, ein vereinzelter Angestellter
stand am Schalter und wartete darauf, daß Sybil sich eincheckte. Ein anderer
Passagier saß an der verglasten Fensterfront und sah hinaus in den Nachthimmel,
aus dem noch immer unaufhörlich die Flocken tanzten. Erleichtert stellte Sybil fest,
daß man die Maschine für zwei Passagiere trotzdem starten lassen würde.
"Zwei Stunden Verspätung", verkündete der Angestellte mit gelangweilter Stimme.
"Werden wir überhaupt heute nacht noch wegkommen?"
Er stempelte ihr Ticket ab und reichte ihr eine Boardingkarte mit dem
Nummemaufdruck Zwei. "Wer weiß? Der Schnee soll nachlassen, aber in Burlington
sieht es schlimm aus. Selbst
wenn wir hier starten, ist es noch nicht gesagt, daß wir dort auch landen können."
"Aber... "
"Entscheiden Sie sich. Wollen Sie Ihre Boardingkarte, oder möchten Sie lieber für morgen umbuchen?"
Sybil sah sich in der fast menschenleeren, schlecht beleuchteten Halle um und
blickte eine Weile nachdenklich durch die Fenster hinaus in das Schneetreiben. In
ihrer Eile, von Princeton fortzukommen, hatte sie nicht daran gedacht, daß sie nur
noch knapp zwanzig Dollar Bargeld dabei hatte, und eine Kreditkarte besaß sie nicht.
Selbst wenn sie sich für ein Motel entschieden hätte, selbst wenn sie eins gefunden
hätte, das nicht
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