Tiffany Duo Band 0124
seine Erinnerungen hässlich waren. Sie hätte sie am liebsten wieder in sein Unterbewusstsein verbannt. Aber es war, als hätte er die Büchse der Pandora geöffnet.
“Was sonst noch?”, fragte sie.
Jack atmete laut aus, als eine neue Welle der Erinnerungen über ihm zusammenschlug. Gesichter, Namen, Räume, Landschaften … alles wirbelte wild durcheinander. Schnipsel seines Lebens, alle unvollständig:
EZ, der ihn über den Rand eines Kaffeebechers hinweg anlachte und von einer Rekrutenübung erzählte … seine eigenen Hände, die eine M-16 zusammenmontierten, eine Spezialoperation über einem schwarzen Nordatlantik. Der Ausbildungsleiter, der später sein Freund geworden war, nur Zentimeter von seinem eigenen Gesicht entfernt, in sein rechtes Ohr schreiend: “Bist du hier auf einem verdammten Urlaub, McClaine? Oder bist du bloß bescheuert?”
McClaine. Jacks Herz hämmerte gegen seine Rippen. Sie hatten ihn Mac genannt.
Die Bilderflut zog weiter an ihm vorbei.
Er stand neben Seth, während dessen Braut durch die überfüllte Kirche auf sie zu kam.
Seth! Oh, verdammt. Seth … in der blauen Uniform, wie er vor Glück aus allen Knopflöchern strahlte. Und ihr Name. Ihr Name war … Molly. Ja. Jetzt erinnerte Jack sich. Molly mit dem roten Haar und den funkelnden Augen. Molly, die es endlich geschafft hatte, Seth zu überreden, aus dem aktiven Dienst auszuscheiden und nach Washington zu gehen.
Seine Mutter, das blonde Haar glatt aus dem von schwerer Krankheit gezeichneten Gesicht gestrichen, die aus dem Krankenhausbett zu ihm auflächelte und heiser flüsterte: “Pass gut auf ihn auf. Du bist jetzt alles, was er hat.”
Dann das Haus, in dem er aufgewachsen war, mit einem Kletterbaum — einer Weide — im Garten. Von hier oben aus konnte er die Welt sehen. Und den Kleinen, der sich abstrampelte, um zu ihm hochzukommen.
Er sprang auf und stolperte die Treppe hinunter, Tess blieb allein zurück.
Der Kleine
. Irgendetwas blockierte seinen Erinnerungsfluss. Er kam einfach nicht darauf. Der Junge …
“Joe”, sagte er laut, die Hände zu Fäusten ballend.
Tess war neben ihm. “Das war der Name, den du im Fieber gerufen hast. Ist es dein Name?”
Er schüttelte den Kopf. “Der meines Bruders.”
“Du hast einen Bruder?” Ihre Augen wurden groß. “Oh, Jack! Das ist wundervoll! Du hast eine Familie!”
Barrikade, direkt vor ihm. Türmte sich zwischen ihm und dem, was dahinterlag, auf.
“Nicht Jack”, sagte er langsam, während er sich zu ihr umwandte. “Mein Name ist McClaine.” Dann hatte er es wieder. “Ich heiße Ian. Ian McClaine.” Er blinzelte heftig. “Da ist er. Mein gottverdammter Name.”
“Ian”, wiederholte sie und lauschte dem Klang seines Namens nach. “Ian McClaine.”
In das Gefühl von Wut, von dem er nicht wusste, wo es herkam, mischte sich Erleichterung darüber, dass die Panik aus ihrem Gesicht wich. An ihre Stelle trat ein Ausdruck, als ob sie ein Geschenk geöffnet hätte, das sie nicht wirklich wollte.
“Jack, das ist …” Sie unterbrach sich. “Ich meine … Ian. Oh, wie soll ich mich je daran gewöhnen, dich so zu nennen?” Sie schaute ihn benommen an. “Erinnerst du dich jetzt … an alles?”
Er rieb sich die Schläfen. “Nicht an alles.” Er fluchte. “Meine Vergangenheit läuft vor mir ab wie ein Film, aber ich bekomme nur Bruchstücke zu fassen.”
“Deine Familie? Hast du noch Eltern?”
Er schüttelte den Kopf, wandte sich von ihr ab und starrte auf den See hinaus. “Ich glaube, sie sind tot. Es gibt nur noch mich und …”
“Joe, deinen Bruder”, beendete sie den Satz für ihn.
Er nickte und ging die Verandatreppe hinunter zum See, wo er sich hinhockte und sich mit den Händen Wasser ins Gesicht spritzte. Dann stützte er sich auf seine Oberschenkel auf und starrte auf die glitzernde Wasseroberfläche hinaus. Was war mit Joe? Dem Jungen, der ihm bis in die Krone der Weide nachgeklettert war, der ihm eine Zeit lang auf Schritt und Tritt hinterhergelaufen war?
Denk nach, denk.
Tess gesellte sich zu ihm und streckte die Hand nach einem nassen Kieselstein aus. “Es wird alles zurückkommen. Versuch nichts zu erzwingen.”
Er atmete laut aus. “Sprichst du als Ärztin?”
“Als Freundin.”
Der Stein wanderte von einer schlanken Hand in die andere. Er wollte Tess an sich ziehen und festhalten, bis ihm sein Leben wieder gehörte. Aber er wusste, dass er sie dann loslassen musste. Fürchtete er sich davor, sie verlassen zu
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