Tiffany Duo Band 0142
auf die Bettkante und beugte sich vor, um ein Paar dicke Socken anzuziehen. Diese Bewegung verstärkte den Kopfschmerz, und sie richtete sich auf und wartete, bis der Schmerz nachließ.
Plötzlich stürzten Bilder auf sie ein: Der Angriff auf dem Weg vor dem Park, der Umriss des Angreifers, der Lichtreflex auf der Waffe. Wieder begann sie zu zittern, trotz der warmen Kleidung, und alle ihre Muskeln spannten sich an.
Eigentlich sollte sie ins Bett kriechen, sich die Decke über den Kopf ziehen und einfach nur schlafen. Aber zuvor musste sie nachdenken. Ihr Angreifer war noch da draußen. Er hatte gehumpelt, deshalb hatte er vermutlich die Verfolgung aufgegeben. Er würde zurückkehren und bald herausfinden, wo sie lebte.
Ehe sie ins Bett ging musste sie packen, musste entscheiden, welche ihre wenigen Besitztümer sie mitnehmen wollte. Das würde nicht lange dauern. Sie konnte nur mitnehmen, was sie tragen konnte. Wie immer.
Am folgenden Nachmittag löste Blade den Blick von Aucklands Hafen, den man von seinem Fenster aus sehen konnte, und wandte sich an den Mann vor seinem Schreibtisch.
“Wollen Sie mir sagen, dass es sie nicht gibt?”
Jack McKenna, einer von Lombards leitenden Angestellten und fast schon ein Familienmitglied, schüttelte den Kopf. “Nein. Ich sage nur, dass es sie offiziell nicht gibt. Keine Geburtsurkunde, weder ein Pass noch ein Führerschein. Keine Versicherungen oder Kredite. Keine Vorstrafen. Nicht einmal ein Strafzettel. Gar nichts.”
“Dann ist Anna Johnson also ein falscher Name.”
Auch wenn Blade das bereits vermutet hatte, ärgerte es ihn dennoch. Diese elfenhafte Frau hatte ihn aus ihren großen grauen Augen angesehen – und sie hatte gelogen!
Jack zuckte die Achseln. “Solange man nichts besitzt, was in irgendeiner Weise offiziell registriert werden muss, ein Haus, ein Auto oder auch ein Bankkonto, ist es leicht, einen falschen Namen zu haben. Vermutlich arbeitet die Lady schwarz. Das machen viele Menschen.”
Ruhelos schritt Blade in dem Büro auf und ab. Vor einem Fenster blieb er stehen. Von dort aus konnte man in Richtung City schauen. Er starrte hinaus und entdeckte ein Schild:
Joe’s Bar und Grill
. Hatte der Schriftzug nicht auch auf Annas Sweatshirt gestanden?
Er schob die Hände in die Taschen und versuchte, seine Unruhe zu zügeln. Er sollte sie vergessen und seine Gedanken wieder der Arbeit zuwenden. Es gab genug zu tun.
Nachdem er einige Jahre beim Militär verbracht hatte, hatte Blade entschieden, dass die Zeit gekommen war, seinen Platz im Familienunternehmen einzunehmen. Hotels und Kasinos im ganzen Land. Er war beinahe vierunddreißig, und die Zeit der gefährlichen Militäreinsätze war vorbei. Zeit, solide zu werden. Er dachte an Anna und runzelte die Stirn. Warum ging diese Frau ihm nicht aus dem Kopf? Lag es an seinen Träumen?
Jetzt war sie vermutlich bei der Arbeit, obwohl sie sich besser ausruhen sollte. Wahrscheinlich hatte sie Kopfschmerzen. Er sollte sie in Ruhe lassen.
Falls sie noch da war.
Er überlegte. Anna benutzte einen falschen Namen. Sie hatte gestern nicht den Eindruck gemacht, als ob dieser Vorfall im Park sie überrascht hätte. Jede andere Frau wäre zu Recht mit den Nerven am Ende gewesen. Und da war Blade sich sicher: Anna war vor jemandem auf der Flucht.
Vielleicht vor ihrem Mann?
Er empfand etwas wie Eifersucht und presste die Lippen zusammen. Eifersucht. Ein fremdes, ein beunruhigendes Gefühl. So unwillkommen wie die Träume. Er mochte Frauen, aber er war noch niemals eifersüchtig gewesen.
Blade dachte daran, wie Anna sich angefühlt hatte, als er ihr aus dem Auffangbecken geholfen hatte. Die Vorstellung, dass sie zu einem anderen Mann gehören könnte, erfüllte ihn mit Trauer. Und Wut.
In seiner Familie waren die Männer es gewohnt zu bekommen, was sie wollten. Und jetzt wollte er Anna. Er fragte sich, ob seine Vorfahren dieselben Schwierigkeiten mit Frauen gehabt hatten wie er jetzt.
Blade betrachtete das Treiben in der Stadt. Und wenn Anna doch die Frau aus seinen Träumen war?
Zum ersten Mal gestattete er sich, diese Möglichkeit zu überdenken. Annas Gestalt. Die geheimnisvollen Augen, die hohen Wangenknochen, der bleiche üppige Mund. Und plötzlich fühlte er auch die Begierde, die zu diesen Träumen gehörte. Drehte er jetzt vollkommen durch?
Nein. Obwohl er nicht an Übernatürliches glaubte, vertraute Blade doch seinen Instinkten und den Reaktionen seines Körpers. Und diese Begierde war keine
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