Tiffany Duo Band 0142
nicht wahrscheinlich schien. Irgendwie konnte er es sich nicht vorstellen – es passte nicht.
Was sollte er tun? Vielleicht spazieren gehen. Es könnte ja möglich sein, dass ihm irgendetwas auffiel, ihn an etwas erinnerte …
Das Haus war etwa eine Meile von Edstown entfernt. Sam schlenderte durch die ruhige Wohnanlage hin zu einem Campingplatz und fand sich dann in der Nähe des Zentrums, nicht weit von dem Bistro wieder. Er nickte ein paar Passanten zu und betrachtete die alten Gebäude. Nicht gerade viel los in Edstown, dachte er sich.
Marjorie hatte ihm erklärt, dass das Zentrum momentan wieder etwas auflebte. Neue Geschäfte zogen in die Stadt.
Als er sich die Gebäude anschaute, hob sich sein Blick wie von selbst und er stellte sich in den Himmel ragende Wolkenkratzer vor. Aha! Verband ihn also etwas mit einer großen Stadt? Aber was? Hatte er einmal in einer solchen gelebt? Wo?
Seine Kopfschmerzen kehrten zurück. Wie immer, lenkte er seine Gedanken sofort wieder zur Gegenwart. Es war ihm klar, dass es nur noch zwei Wochen bis zu seinem selbst auferlegten Stichtag waren, an dem er die Wahrheit gestehen wollte. Vielleicht hatte er bis dahin aber auch sein Gedächtnis wieder. Allerdings schien ihm das immer unwahrscheinlicher – jeder Gedanke an die Vergangenheit wurde mit heftigen Kopfwehattacken quittiert.
Ein Süßwarenladen zog Sams Aufmerksamkeit auf sich. Die wenigen Male, als er bislang daran vorbeigelaufen war, schien er immer leer gewesen zu sein. Offensichtlich lief das Geschäft sehr schlecht.
Sam war schon im Begriff, sich abzuwenden, als er den Jungen am Schaufenster bemerkte. Er sah ärmlich aus, nicht älter als zehn oder elf. Seine hellen Haare hingen ihm ungekämmt ins Gesicht. Bei dem Anblick der vielen Süßigkeiten schien ihm das Wasser im Mund zusammenzulaufen. Ohne weiter nachzudenken meinte Sam: “Sieht lecker aus, was?”
Offensichtlich überrascht, schnellte der Junge herum. Er hatte eine große Beule auf der linken Gesichtshälfte.
Nach einigem Zögern antwortete der Junge mit einem “Ja”.
“Ich habe die da besonders gemocht, als ich klein war”, sagte Sam und deutete auf einen Haufen roter Lakritzebonbons. Wie war er darauf gekommen? Er wusste es nicht.
“Und ich mag die da – die halten
ewig”
, erwiderte der Junge und zeigte auf Lutscher, die beinahe so groß waren wie sein eigener Kopf. Dann seufzte er und sagte: “Ich muss jetzt gehen. Mein …, mein Stiefvater wartet auf mich.”
Sam folgte dem Blick des Jungen auf die andere Straßenseite zum Eisenwarenladen. “Also, mach’s gut”, meinte er dann.
Der Junge tat ein paar Schritte, drehte sich dann um und fragte: “Wie heißen Sie?”
“Ich antworte auf Sam.”
Der Junge schien nichts Merkwürdiges an Sams Wortwahl zu finden. “Und ich bin Zach.” Dann lief er fort.
Sam schaute ihm nach. Etwas an dem Jungen kam Sam bekannt vor. Wie konnte er wissen, dass er unglücklich war und nicht in ein fröhliches Zuhause zurückkehrte? Wie war er darauf gekommen, dass die Schwellung nicht von einem Unfall, sondern von einer Hand stammte? Es war ihm beinahe so, als ob er den Schlag selber spüren konnte. Hatte er diese Erfahrungen selbst gemacht?
“Hey, Sam. Wie geht’s denn so?”
Als ob er darauf gewartet hätte. “Chief Meadows.”
“Sie sehen besser aus.”
“Danke”, erwiderte Sam.
“Schauen Sie sich ein bisschen die Stadt an?”
“Ja. Hübsch ist es hier.”
Dan schien das Kompliment für sich persönlich in Anspruch zu nehmen. “Danke.”
“Haben Sie den Jungen gesehen, mit dem ich gerade geredet habe?”
“Selbstverständlich.”
Selbstverständlich! Dem entgeht wohl nie etwas, dachte Sam. “Er nennt sich Zach. Kennen Sie ihn?”
“Nur vom Sehen her.”
“Beruflicher Art?”
“Warum fragen Sie?”
Sam schaute besorgt drein. “Sein Gesicht. Vielleicht ist er nur vom Fahrrad gefallen, aber ich bezweifle …” Er hielt inne.
Dan setzte eine finstere Miene auf. “Mir wird schon etwas einfallen, um später bei der Familie vorbeizuschauen.”
“Gibt es einen Grund für meine Vermutung?”
“Nun ja, nicht jeder Einwohner von Edstown ist ein Musterexemplar.”
“Er schien ein netter Junge zu sein.”
“Ich werde mich drum kümmern”, beteuerte Dan ein zweites Mal. Sam wollte nicht weiter bohren.
“Wie steht es mit der Arbeit?”
“Da ist immer viel los. Marjories Geschäft läuft ausgezeichnet.”
“Ja. Das
Rainbow Café
hat einen guten Namen, wenn es um
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