Tiffany Duo Band 0142
Zweimal – soweit er wusste – war sie einem Killer entkommen und hatte unter Bedingungen gelebt, die die meisten Männer gebrochen hätten, gar nicht zu reden von einer Frau aus wohlhabender Familie. Blade kannte erfahrene Agenten, die nach zwei Jahren unter einer fremden Identität weinend ihr eigenes Leben zurückverlangt hatten. Anna hatte sieben Jahre lang im Untergrund gelebt und es überstanden.
Oh ja, er wollte sie schütteln, weil sie ihn im Ungewissen gelassen hatte, aber noch lieber hätte er de Rocheford getötet.
“Willst du nicht wissen, warum ich mich vor de Rocheford versteckt habe?”
Ihre Stimme klang angenehm, als hätte sie ihm Tee und Sandwichs angeboten. Blade zwang sich zur Ruhe. “Du bist Anna Tarrant”, stieß er hervor.
Anna sah ihn unsicher an. “Du bist wütend auf mich.”
“Lass uns aus diesem verdammten Parkhaus raus”, sagte er bedrohlich leise, “wir reden drinnen.” Dann packte er sie am Arm.
“Du musst mich nicht ziehen”, fuhr sie ihn an und riss sich los.
Blade ging langsamer, aber sein Ärger ließ nicht nach. Sie fühlte es. Er würde nicht schreien oder gewalttätig werden. Je zorniger er war, desto ruhiger wurde er. Anna fragte sich, was geschehen müsste, damit Blade diese Kontrolle verlor und entschied dann, dass kein vernünftiger Mensch das herausfinden wollte.
Er führte sie durch einen Hintereingang, dann stiegen sie in einen privaten Aufzug und fuhren hoch in sein Penthouse.
Anna sah nicht die unpersönliche Hotelsuite, die sie erwartet hatte. Es war ein Zuhause. Wie lange war es her, seit sie ein richtiges Zuhause gehabt hatte?
“Du bist verletzt.” Blade umfasste ihr Handgelenk und schob den Ärmel zurück. Ein tiefer Kratzer. Vage erinnerte sie sich, auf der Flucht vor Seber an etwas Dornigem hängen geblieben zu sein.
“Es ist nichts”, murmelte sie und entzog ihm ihr Handgelenk. “Du wolltest reden, also bringen wir es hinter uns.”
Plötzlich überwältigte die Müdigkeit sie. Ihre Beine wurden weich, sie schaffte es gerade noch bis zur Couch und stellte ihre Tasche auf den Couchtisch.
Dann hockte sie sich auf die Kante und widerstand dem Wunsch, sich zu entspannen. Wenn sie sich zurücksinken ließ in das weiche Leder, würde sie einschlafen.
Sie öffnete die Aktentasche und begann den Inhalt auszubreiten. Es waren nur wenig Gegenstände, und schäbige überdies. Ein altes Laptop, das sie aus zweiter Hand gekauft hatte, die Zeitungsausschnitte, die Blade schon in der Bibliothek gesehen hatte und die jetzt zerknittert waren, ein Pass, ein paar Kreditkarten, ein goldener Siegelring.
Sie hielt den Ring hoch, sah das Licht darin schimmern. “Der Ring meines Vaters.” Sie schloss die Finger darum. “Henry stahl ihn.” Sie sah Blade an. “Ich habe ihn zurückgestohlen. Ich konnte es nicht ertragen, ihn an Henrys Finger zu sehen. Dazu hatte er kein Recht.”
“Wenn der Ring deinem Vater gehörte, hast du ihn nicht gestohlen. Er gehört dir.”
“Nein.” Sie sprach leise. “Henry hat alles genommen, aber der Ring gehört mir.”
Sie betrachtete die wenigen Gegenstände auf dem Tisch, holte tief Luft und begann zu erzählen. “Henry hat meine Mutter Eloise geheiratet, ungefähr ein Jahr, nachdem mein Vater starb. Dann hat er meine Mutter und mich von allem weggebracht, was wir kannten. Er isolierte uns. Niemand besuchte uns und, soweit ich weiß, fragte auch niemand nach uns. Es war, als hätten wir aufgehört zu existieren. Niemals nahm er meine Mutter irgendwohin mit. Er sagte, es ginge ihr nicht gut, und sorgte dafür, dass jeder glaubte, meine Mutter sei psychisch instabil und ihre Tochter noch verrückter. Mein einziger Kontakt nach draußen war die Privatschule. Henry wollte ja den Eindruck erwecken, dass seine Familie ihm das Wichtigste sei, daher konnte er mich schlecht von der Schule nehmen. Vor allem, weil ich eine gute Schülerin war und keinerlei Probleme machte.”
Sie fühlte, wie die Couch sich bewegte, als Blade sich neben sie setzte. Ruhig zog er sie auf seinen Schoß.
“Ist schon gut”, sagte er, als sie sich vor Überraschung steif machte. Sie hatte geglaubt, er wäre wütend auf sie. “Entspanne dich”, flüsterte er, “ich will dich nur festhalten, sonst nichts.”
Er lehnte sich zurück, und sie sank gegen seine Brust. Er schlang die Arme um sie, zog sie an sich. Nach wenigen Sekunden begann Anna, sich zu entspannen und legte den Kopf an seine Schulter. Sie hörte seinen Herzschlag und empfand
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