Tiffany Duo Band 0142
Hüften gestemmt, unbeirrt, entschlossen – und gefährlich. Seine Augen funkelten im Mondschein, und sie dachte erneut, wie einfach es wäre, seinem Bitten nachzugeben. Und wie sehr sie sich getäuscht hatte.
Alles
hatte sich zwischen ihnen geändert. Mehr, als er ahnte.
Dean trat näher, sein Gesicht war angespannt. “Schau, ich erwarte nicht, dass es wieder so wird wie früher. Sicher nicht nach der ganzen Zeit, die vergangen ist. Alles, worum ich dich bitte, ist, mich so zu sehen, wie ich
heute
bin.”
Sie wartete ab, bis die erste, dann die zweite Schmerzwelle vorüberging, bevor sie sehr ruhig und gefasst antwortete: “Ich weiß nicht, ob ich das kann.”
Der Mann, den sie einst mit Leib und Seele geliebt hatte, starrte sie einen Moment lang zornig an. Dann drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit.
4. KAPITEL
Die Sonne stand schon ziemlich hoch am Himmel, als Dean sein mehrstündiges Joggen beendete. Eigentlich hatte er vorgehabt, sofort unter die Dusche zu gehen und die verschwitzten Sachen auszuziehen, doch der Duft von Kaffee lockte ihn in die Küche, wo seine Tante am verchromten Esstisch in der Mitte des Raumes saß. Ihr scharfer Blick bohrte sich in ihn wie ein Messer. Nur das verzweifelte Verlangen nach Koffein hielt Dean davon ab, wieder rückwärts aus dem Zimmer zu gehen.
Es war beinah halb neun. Er war überrascht, sie noch in ihrem geblümten Bademantel vorzufinden. Doch ihr dünnes grau-blondes Haar war bereits zu dem üblichen strengen Knoten hochgesteckt, so fest, dass keine einzige Haarsträhne sich lockern konnte. Offenbar war seine Tante bereit, den Herausforderungen des Tages entgegenzutreten, einschließlich dickköpfiger Neffen. Deans Kopf schmerzte trotz der sportlichen Betätigung, seine Augen waren müde, sein Gehirn leer. Auf ein Gespräch von Tante zu Neffe hatte er jetzt herzlich wenig Lust.
Ethel Parrish war fünfzehn Jahre älter als Deans Vater und war lange vor Deans Geburt einmal kurz verheiratet gewesen. Sie hatte ihre Neffen damals mit offenen Armen bei sich aufgenommen und immer gut behandelt. Was jedoch nicht bedeutete, dass mit ihr leicht auszukommen war.
Sie ging nicht gleich zum Angriff über, woraus Dean schloss, dass sie vermutlich irgendeinen Plan ausheckte. Also wünschte er ihr erst einmal einen guten Morgen und steckte eine Scheibe Brot in den Toaster. Der Rest der Nacht war die Hölle gewesen. Stundenlang hatte er auf der Veranda seiner Tante auf den Stufen gesessen, bis sein Rücken schmerzte. An Schlaf war ohnehin nicht zu denken gewesen, denn seine Gedanken wirbelten unaufhörlich durcheinander. Doch zumindest hatte er seine Zeit nicht verschwendet. Denn als gegen fünf Uhr morgens irgendwo in der Nachbarschaft ein Hahn krähte, hatte Dean seinen Entschluss gefasst: Sarah Whitehouse hatte sich zu einer zickigen und überempfindlichen Nervensäge entwickelt, und er konnte froh sein, sie los zu sein.
Oh, sicher, ihre Weigerung ihn anzuhören hatte sein Ego verletzt. Überhaupt war das ganze Gespräch äußerst schmerzhaft gewesen. Doch jetzt, bei Tageslicht betrachtet, sah Dean sich schlicht als Opfer seiner eigenen nostalgischen Gefühlsduselei, die nicht zum ersten Mal mit ihm durchgegangen war. Trotz einer körperlichen Anziehung, die ihn fast ängstigte, weil sie so intensiv war, schien es ihm jetzt vollkommen klar, dass es nichts anderes als Schuldgefühle gewesen waren, die ihn letzte Nacht zu Sarahs Haus getrieben hatten. Schuldgefühle wegen damals, sonst nichts.
Sein Toast war fertig. In Gedanken versunken, nahm Dean ihn heraus und verbrannte sich die Finger. Geistesabwesend ließ er die Scheibe auf einen Teller fallen.
Was machte es schon, wenn Sarah Whitehouse kein Interesse an seinen Erklärungen hatte? Es gab schließlich jede Menge Frauen, die ihm umso lieber zuhörten. Besonders in Atlanta.
Was ihn zu seiner zweiten ernüchternden Erkenntnis führte, nämlich, dass auch Sweetbranch nicht länger Teil seines Lebens war. Schließlich besaß er eine florierende Schreinerei in Atlanta, die er jetzt sogar erweitern wollte. Er hatte sich bereits nach einer geeigneten Fabrikhalle umgesehen. Und er trug die Verantwortung für ein gutes Dutzend Angestellte. Nach der Expansion konnte diese Zahl sich leicht auf fünfzig erhöhen. Oder mehr.
Dass er das Großstadtleben hasste, durfte bei seinen Überlegungen keine Rolle spielen. In absehbarer Zukunft würde Atlanta sein Zuhause bleiben müssen. Wohl oder übel.
Mit zitternder Hand
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