Tiffany Duo Band 0149 (German Edition)
dem Wickelbär, der auf McCalls Schulter saß, einen Finger hin.
“Fremde sind ihr nicht geheuer”, sagte er, als die Kleine vorsichtig an dem Finger roch.
“Wie heißt sie?”, fragte Ellie mit entzückter Stimme. McCall sah, dass sie dem Tier eine Weintraube hinhielt.
“Inky”, antwortete er. Es überraschte ihn keineswegs, dass das Zimtmädchen Inkys liebsten Leckerbissen in der Hand hielt; schließlich hatte sie auch ihn versucht zu bestechen.
Ellie sah ihn an. Ihre Augen leuchteten und lösten bei ihm ein Glücksgefühl in der Magengegend aus. “Inky?”
“Nun, sie ist eine rechte Plage. Vor allem, wenn ich abends male, spielt sie mit den Farben.”
Ellie lachte, als der Wickelbär ihr die Weintraube stahl und sich schnellstens aus dem Staub machte. Innerlich kribbelte es sie – wie jedes Mal, wenn sie einem wilden Tier begegnete –, und sie suchte nach den richtigen Worten, um ihre Freude auszudrücken. Sie sah zu McCall und machte schon den Mund auf, als sie sein Blick traf. All ihre Gedanken über Wickelbären lösten sich in Luft auf; es verschlug ihr geradezu den Atem.
Ellie, reiß dich zusammen, ermahnte sie sich.
“Wie bitte?”, fragte sie, da McCall etwas gesagt hatte.
“Möchten Sie sich frisch machen?”
“Ja, bitte. Wo?”
Er lächelte sie an. “Durch das große Zimmer in den Gang hinaus und durch das Schlafzimmer. Das Badezimmer befindet sich dann rechts.”
“Gut”, sagte Ellie und versuchte tief durchzuatmen. Was war bloß los mit ihr?
Sie verließ auf wackligen Beinen und mit Schmetterlingen im Bauch die Küche. Dieses Gefühl kannte sie noch aus Schulzeiten, die aber schon Jahre her waren.
Sie hörte, wie McCall den Wickelbär rügte: “Was schaust du mich denn so an? Dreißig Sekunden, und du frisst ihr schon aus der Hand!”
Ellie lachte leise, während sie durch das Wohnzimmer schritt. Was hier nicht alles herumliegt, dachte sie und sah Carmen in einer Ecke hocken. Offensichtlich hatte sie gerade die Pflaume verputzt und wollte nun wieder in den Garten hinaus.
“Ja, Königliche Hoheit. Selbstverständlich, Hoheit”, murmelte Ellie lächelnd, als sie die Tür öffnete. Der Größe nach zu urteilen, ist es ein Männchen, dachte sie.
Die Schmetterlinge in ihrem Bauch wichen langsam, aber sicher einem unwirklichen Gefühl. Seitdem sie in der Stadt angekommen war, hatten sich die seltsamsten Sachen ereignet. Zuerst die Sache mit ihrer Tasche, dann die zwei Männer von der Cantina und schließlich die Gangster. Jedes Mal hatte ihr ein Mann geholfen, um den sie an einem normalen Tag in einer normalen Stadt einen großen Bogen gemacht hätte. Und dann noch ihr Partner: Zuerst hatte sie einen, dann keinen und jetzt diesen asozialen Aussteiger; so sah er zumindest aus. Er gab sich auch alle Mühe, so zu wirken. Aber er roch nach nichts Schlimmerem als Farbe und Terpentin, und sein Mund hatte sich warm und fest angefühlt, als sie ihn geküsst hatte.
Da waren schon wieder die Schmetterlinge! Wenn sie nur daran dachte, wie er mit den Tieren umgegangen war. So liebevoll und sanft.
Liebevoll? Sanft? Der launenhafte schrullige McCall? Und doch schien er diese Seite zu haben. Sie hätte zudem nie ein so gemütliches, auch für ihre Vorstellung außergewöhnliches Haus erwartet; aber es passte zu ihm.
Wer ist er, und wer ist er einmal gewesen, fragte sich Ellie.
Seltsam.
Sie hörte Geräusche, die aus der Küche kamen: das Schlagen von Türen, das Klappern von Tellern und ein tonloses Pfeifen, das sie genervt hätte, wenn es sie nicht an ihren Bruder Eric erinnert hätte. Eric, von dem sie seit so Langem nichts mehr gehört hatte und der ihr fehlte.
Ein Gefühl der Traurigkeit überkam sie, und sie ging rasch in Richtung Badezimmer. Als sie das Schlafzimmer betrat, versuchte sie, sich nicht umzuschauen. Doch es war unmöglich. Bei McCall konnte man nie wissen. Ellie hatte ein wüstes Durcheinander erwartet. Stattdessen musste sie feststellen, dass alles licht und ordentlich war. Sogar das Bett unter dem Moskitonetz war sauber gemacht.
Das Badezimmer wirkte eher spartanisch, aber auch hier war es sauber. Ellie machte sich frisch und ging dann wieder ins Schlafzimmer, wo sie stehen blieb und ein eingerahmtes Foto anschaute. Das einzige im ganzen Haus, wie ihr aufgefallen war.
Es handelte sich um einen Mann und eine Frau. Beide waren noch sehr jung, wahrscheinlich nicht einmal zwanzig. Den Kleidern und dem Auto auf dem Bild nach zu urteilen stammte es aus den fünfziger
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