Tiffany Duo Band 0149 (German Edition)
Augen fest auf die Straße geheftet. In den letzten fünfzehn Minuten hatten sie kein Wort gewechselt. Shea vermutete, dass er keine Kraft zum Sprechen hatte. Er brauchte seine ganze Konzentration, um den Wagen durch die einsamen regnerischen Landstraßen zu lenken, die sie nach Marshall County führten.
Dean wird mir die Hölle heiß machen, wenn er von dieser Sache erfährt, schoss es ihr durch den Kopf. Doch ihr ältester Bruder war jetzt ihre geringste Sorge. Boone und Clint würden ihre Entscheidung verstehen, auch wenn Boone sie vermutlich damit aufziehen würde, dass sie in ihrer Kindheit zu viele Agatha-Christie-Romane gelesen hätte.
Doch Shea fühlte, dass sie das Richtige tat. Sie wusste, dass Taggert ohne sie verloren war. Entweder würde er verbluten oder in einem Schusswechsel mit der Polizei enden. Ohne ihre Hilfe hatte er nicht den Hauch einer Chance.
Und wenn er starb, würde er die Wahrheit mit ins Grab nehmen. Der wahre Täter würde nie gefasst werden, und Nick Taggert wäre in den Augen der Welt ein Mörder. Das war einfach nicht gerecht. Zusammen mit Taggert würde sie die Wahrheit ans Licht bringen. Und ganz nebenbei eine sensationelle Story aufdecken.
Sie bogen in eine mit Kies bedeckte Auffahrt ein. Durch die regennasse Scheibe konnte Shea verschwommen ein kleines Haus ausmachen. Gedämpftes Licht drang durch die Fenster und schien sie willkommen zu heißen.
“Wo sind wir hier?”, flüsterte sie, als sie sich dem Haus näherten. Taggert antwortete nicht, und ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Sie hatte in seinen Augen lesen können, dass er unschuldig war. Trotzdem hatte er nicht davor zurückgeschreckt, sie zu kidnappen. Was plante er als Nächstes?
Unbeirrt lenkte er den Wagen um das Haus herum. Der Kies unter den Reifen knirschte verräterisch laut. Shea beobachtete, wie sich ein blassblauer Vorhang vor einem der Fenster bewegte. Sie waren bereits bemerkt worden.
“Sie werden doch hoffentlich nichts Unüberlegtes tun?”, fragte sie nervös, als Taggert den Wagen parkte. Endlich wandte er seinen Blick zu ihr. “Unüberlegt?”, fragte er müde.
Shea schluckte. Es wäre schließlich nicht seine erste impulsive Tat an diesem Tag gewesen. “Es ist nicht notwendig, Unbeteiligte in diese Angelegenheit hineinzuziehen”, erklärte sie so sachlich wie möglich. “Wir könnten doch ein Auto stehlen. Ausborgen, wollte ich sagen. Und ich habe etwas Geld bei mir, es gibt also gar keinen Grund …”
“Sie glauben, ich will den Mann, der hier wohnt, überfallen?”, unterbrach Taggert sie.
“Etwa nicht?”
Mühsam schüttelte er den Kopf, und sein Gesichtsausdruck wirkte plötzlich traurig, fast enttäuscht. “Wäre jetzt nicht eine gute Gelegenheit, Abschied zu nehmen, Wetterfrosch?”, flüsterte er. “Los, gehen Sie schon.”
“Nein”, entgegnete sie leise.
Die Hintertür wurde geöffnet, und ein Lichtkegel erhellte die Auffahrt. Ein älterer Mann stand in der Türschwelle. Er schien sie zu erwarten.
Taggert stieß die Fahrertür auf und trat hinaus in den Regen. Shea folgte ihm. Sie wusste, dass er es allein nicht bis zum Haus schaffen würde. Auch wenn er es selbst nicht wahrhaben wollte, seine Kraft war am Ende. Kurz entschlossen legte sie ihren Arm um seine Hüfte. Er zögerte einen Moment, doch dann umfasste er ihre Taille und ließ sich von ihr zum Haus führen.
“Ist der Mann ein Freund von Ihnen?”, fragte sie, und Taggert nickte kurz.
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Sie hätte wissen sollen, dass er nicht einfach in ein fremdes Haus einbrechen würde wie ein gewöhnlicher kleiner Dieb.
Er stützte sich auf sie, während sie sich der offenen Hintertür näherten. Trotz des Regens bewegten sie sich langsam. Endlich trat der alte Mann in den Regen hinaus und kam ihnen zur Hilfe. Mit vereinten Kräften geleiteten sie Taggert ins Haus, durch eine hell erleuchtete Küche und schließlich in ein rustikal eingerichtetes Wohnzimmer.
Sekunden später saß Taggert mit geschlossenen Augen auf der Couch, den Kopf zurückgelehnt, und ließ eine Schimpftirade des alten Mannes über sich ergehen.
“Was um alles in der Welt hast du dir nur dabei gedacht, Junge?”, schloss der Alte, nachdem er seinem Zorn hörbar Luft gemacht hatte. “Du hättest draufgehen können. Und dann auch noch diese nette junge Lady hier zu kidnappen …” Er deutete auf Shea. “Also, das war wirklich eine idiotische Idee.”
“Ich weiß”, gab Taggert erschöpft zu.
“Nun ja, lass uns
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