Tiffany Duo Band 77
überließ sich ganz der Trauer um einen verlorenen Freund. Brian wußte, daß es im Moment keinen Sinn hatte, sie zu trösten, die Hauptsache war, er war bei ihr.
„Wie lange ist sie schon in diesem Zustand?" fragte er, nachdem sie lange dagesessen und ihren Gedanken nachgehangen hatten.
Shelly zuckte die Schultern und versuchte, sich an die Zeit zu erinnern, in der es Marion noch nicht ganz so schlecht gegangen war. „Seit ich sie kenne, hatte sie schon immer Tage wie heute. Doch es gab auch andere, in denen sie vollkommen klar war und genau wußte, wen sie vor sich hatte und wer sie war. Doch seit einiger Zeit ist sie fast immer vollkommen verwirrt."
Brian startete das Auto und drehte die Heizung auf, es war kalt. Noch machte er keine Anstalten loszufahren. „Glaubst du, daß du zu ihr durchgedrungen bist?"
„Ich weiß nicht. Ich nehme an, irgendwie hat sie verstanden, daß Charlie weg ist, aber sie weiß nicht, warum. Daß sie in der Lage ist, die Tatsache, daß er niemals wiederkommt, zu begreifen, kann ich mir nicht vorstellen."
Shelly zog ihren Mantel enger um sich, während sie darauf wartete, daß es im Auto wärmer wurde. Es erschien ihr, als würde es niemals mehr aufhören zu regnen. Sie überlegte, ob Charlie viel hatte leiden müssen, und wer es gewesen war, vor dem er Angst gehabt hatte. Aus welchem Grund hatte er sie belogen? Und wer trug die Schuld an seinem Tod?
Dann fielen ihr Grant und seine seltsamen Anrufe ein. „Großer Gott", flüsterte sie vor sich hin. Natürlich! Grant mußte genau wissen, um was es ging!
„Shelly?"
Sie versuchte mit den Augen die an der Windschutzscheibe hinabströmenden Wassermassen zu durchdringen. Ob sie sich besser fühlen würde, wenn sie ihren Tränen ebenso freien Lauf ließe?
Vielleicht. Doch im Moment konnte sie sich das nicht gestatten. Nicht jetzt. Nicht, bevor sie allein war.
„Brian..." Sie fürchtete sich davor, ihn einzuweihen, sie hatte jedoch keine andere Wahl. Er hatte in der Firma inzwischen Grants Platz eingenommen und war Charlies rechte Hand. Und nun, da Charlie nicht mehr war...
Sie hatte die Pflicht, ihm zu sagen, was sie wußte, schon um des Unternehmens willen. Und der Menschen, die dort ihren Arbeitsplatz hatten.
„Es gibt ein paar Sachen, die wir miteinander besprechen müssen. Diese Anrufe, die ich bekommen habe..."
„Anrufe? Du hast also nicht nur einen bekommen?"
Ach, ja, richtig, das hatte sie ihm ja nicht erzählt. Sie hatte ja beim zweiten mal nur gesagt Der Mann, dem das Hemd gehört . Verdammt, jetzt mußte sie ihn über ihre Beziehung zu Grant aufklären.
„Ja, er hat noch einmal angerufen."
„In der Nacht, in der ich bei dir war", stellte er tonlos fest und preßte vor Verärgerung die Lippen aufeinander.
„Ja", gab sie zu. Sie riskierte einen Blick auf ihn und wünschte, sie hätte es nicht getan.
Warum, schien er zu fragen. Warum hatte sie es ihm nicht gleich erzählt? Warum hatte sie ihm nicht vertraut, obwohl das Leben eines Menschen auf dem Spiel stand?
„Bitte, mach mir nicht alles schwerer, als es sowieso schon ist." Brian warf in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände in die Luft und schwieg.
„Er sagte wirklich nicht mehr als beim ersten Mal. Aber ich habe seine Stimme erkannt."
„Wer ist es?"
„Grant."
„Edwards? Der Knabe, auf dessen Stelle ich jetzt sitze?"
Sie nickte.
„Hatte er eine persönliche Beziehung zu Charlie?”
Shelly überlegte einen Moment. Sie hatte Charlie sehr gut gekannt, zumindest war sie bisher immer der Meinung gewesen. Daran, Grant und ihn jemals außerhalb des Büros zusammen gesehen zu haben, konnte sie sich nicht erinnern, und keiner von beiden hatte je etwas Derartiges verlauten lassen.
„Ich bin mir nicht sicher, glaube es allerdings nicht."
„Dann ging es vielleicht um etwas Geschäftliches. Um eine unsaubere Sache, die Edwards herausgefunden hat. Was meinst du, hältst du das für möglich?"
„Könnte sein."
„Oder er war selbst mit darin verwickelt", dachte Brian laut. „Wo arbeitet er jetzt?"
Shelly überlegte, wohin er gegangen war, nachdem er Naples vor vierzehn oder fünfzehn Monaten verlassen hatte. „Ich weiß es nicht genau...
„Woran kannst du dich erinnern?"
„Kurz bevor er ging, hatte er einen Riesenkrach mit, Charlie. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht. Ich weiß nicht, worum es sich handelte, und gehört habe ich gar nichts, doch ihr Verhalten sprach Bände. Einer war wütender als der andere.
Brian nickte.
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