Tiffany Duo Band 77
„Wahrscheinlich hatte Edwards doch irgend etwas herausgefunden."
„Oder Charlie." Sie hatte das Verlangen, ihn vor einem ungerechtfertigten Verdacht zu beschützen, denn sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, daß er in irgendwelche zwielichtigen Angelegenheiten verwickelt gewesen war. Andererseits - er hatte sie belogen, als sie ihn mit Grants anonymem Anruf konfrontiert hatte. Und er hatte zweifellos Angst gehabt, als er die Sache mit dem Flugzeug erfuhr.
Charlie hatte gewußt, was los war. Es war ihm klar, daß er in Gefahr schwebte.
„Wir müssen alles der Polizei erzählen."
„Ja."
„Fühlst du dich jetzt dazu in der Lage?"
Nein, hätte sie am liebsten geschrien. Sie fühlte sich momentan zu gar nichts in der Lage. Doch sie hatte keine andere Wahl. Es mußte getan werden, und je eher, desto besser.
Also stimmte sie zu. „Ja, laß uns hinfahren."
Shelly fand, daß sie den Tag eigentlich wider Erwarten dann noch ganz gut überstanden hatte. Erst das Leichenschauhaus, anschließend das Pflegeheim und danach die Polizei. Ja, alles war letzten Endes einfacher gewesen, als sie es sich vorgestellt hatte. Traurig und deprimierend, sicher, das schon, aber immerhin zu bewältigen.
Brian war den ganzen Tag an ihrer Seite geblieben, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, und auch jetzt war er noch immer bei ihr. Nachdem er sie heimgefahren hatte, hatte er sich sozusagen selbst in ihre Wohnung eingeladen, und nun wußte sie nicht, wie sie ihn wieder loswerden sollte.
Erschöpft schlüpfte sie aus ihren Schuhen und hatte das Gefühl, gleich in sich zusammenzufallen. Mühsam kramte sie nach ein paar letzten Reserven, die es ihr ermöglichten, Haltung zu bewahren.
Natürlich bezweckte Brian mit seinem Hiersein irgend etwas. Und er schien nicht die Absicht zu haben zu gehen, bevor er sein Ziel erreicht hatte.
Shelly gab es auf, darüber nachzudenken, was es sein mochte, kuschelte sich in eine Ecke des Sofas und nahm einen Schluck von dem coffeinfreien Kaffee, den sie eben zubereitet hatte.
„Morgen früh müssen wir als erstes alle Unterlagen im Büro durchgehen", erklärte er.
„Ja, ich weiß."
Der Sheriff hatte zwar nichts davon gesagt. Überhaupt hatte er wenig verlauten lassen. Er war anscheinend keineswegs davon über zeugt, daß er es mit einem Verbrechen zu tun hatte. Sicher, er war mißtrauisch, doch er schien keine Eile zu haben. Er gedachte anscheinend, die Sache in aller Ruhe angehen zu können.
Und sie hatten ja auch nicht besonders viel in der Hand, was ihn zu einem schnelleren Vorgehen veranlassen könnte. Brian selbst war überzeugt davon, daß Charlie einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war, und er machte sich Sorgen, daß möglicherweise noch andere Leute im Büro gefährdet sein könnten. Wenn die einzige Verbindung zwischen Charlie und Grant über die Firma lief, und wenn beide wußten, daß Gefahr im Verzug war, dann war es nur zu wahrscheinlich, daß hinter der ganzen Sache eine geschäftliche Schieberei steckte.
Also erschien es Brian am sinnvollsten, als erstes morgen die Aufträge, an denen Charlie zusammen mit Grant gearbeitet hatte, durchzusehen.
„Ich weiß nicht", meinte Shelly jetzt nachdenklich, „glaubst du wirklich, daß uns ein Firmenauftrag auf die Spur des Mörders führen könnte?"
„Oh, wenn's ums Geld geht, ist alles möglich." Brian stellte seinen Kaffeebecher auf dem Couchtisch ab. „Und du weißt so gut wie ich, daß wir an millionenschweren Projekten arbeiten."
Naples hatte in den letzten zwanzig Jahren einen riesigen Bauboom erlebt. Und genauso lange bestand die Firma. Williams Engineering hatte dank Charlies Geschäftstüchtigkeit teilhaben können an dem Aufschwung im Baugewerbe.
Doch dann hatte die Krankheit seiner Frau Charlie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ihm war nichts anderes übriggeblieben, als seine geschäftlichen Aktivitäten drastisch herunterzuschrauben, wenn er ihr helfen wollte. Und das wollte er, denn er liebte sie. Also nahm er nur noch einen kleinen Teil seiner geschäftlichen Verpflichtungen wahr. Und das über Jahre hinweg.
„Menschen tun vieles für Geld", sagte Brian.
„Manche Menschen", berichtigte ihn Shelly und hoffte zutiefst, daß Charlie sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, sondern nur wider Willen in etwas hineingeraten war, mit dem er zum Schluß nicht mehr hatte umgehen können.
Vielleicht war ja Grant für alles verantwortlich. Es fiel Shelly leichter, dies zu glauben. Damit war es ihr
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