Tiffany Extra Band 03
verschwinden lassen. Außerdem trug sie Leggings unter dem Rock – nur für den Fall, dass sie klettern müsste, zum Beispiel durch ein sechseckiges Fenster in einem Badezimmer im ersten Stock.
Royce hatte darauf bestanden, dass sie einige seiner Halsketten vorführte. Er schien vergessen zu haben, weshalb sie wirklich hier war. Nämlich um seine Armbänder zurückzuholen. Und natürlich die Schnupftabaksdose, aber davon wusste er ja nichts. Es war kompliziert.
Einen Moment lang stellte Kaia sich vor, wie ihre Eltern und ihr Onkel ans Werk gehen würden – die perfekten Gäste, solange man die Sache mit dem Stehlen übersah.
Doch sie waren nicht hier. Heute Abend war Kaia auf sich allein gestellt.
Donner grollte in der Ferne, und der Wind nahm zu.
Inzwischen war es halb acht und ungewöhnlich dunkel für einen Sommerabend. Blake trat aus dem geschützten Winkel am Küchengarten heraus und fühlte die plötzliche Kühle, die einen Sturm ankündigte. Vor vierundzwanzig Stunden war im Wetterbericht noch keine Rede davon gewesen. Jetzt bewegte sich das Tief rasend schnell an der Küste entlang gen Norden.
Die grüne Plane flatterte im Wind. Blake stellte sich vor die Fensterfront und beobachtete das Treiben auf der Party von draußen. Helle Lichter. Viel Gefunkel. Ein Jazz-Quintett. Schwarz-weiß gekleidetes Servicepersonal, das silberne Tabletts durch die Menge balancierte. Ein Barkeeper wirbelte zur Unterhaltung einer kleinen Gruppe, die auf ihre Drinks wartete, einen Shaker durch die Luft und fing ihn geschickt wieder auf. Alles wirkte völlig normal.
Riesige Blumenarrangements und elf schwarze Säulen, auf denen Royce seinen Schmuck präsentierte, sorgten dafür, dass der ohnehin volle Saal noch voller wirkte. Blake ließ seinen Blick über die Menge schweifen und zählte die schwarzen Säulen nach. Diesmal kam er nur auf zehn. Er fluchte leise, zählte noch einmal und kam wieder auf elf.
Plötzlich bewegte sich eins der Podeste, und Blake erkannte, dass es keine schwarz umhüllte Säule war, sondern eine Frau in einem schulterfreien schwarzen Kleid. Eine Frau mit schönen hellen Schultern. Volles Haar, im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt. Klares Profil. Elegante Finger, die geschickt die Halskette, die sie trug, lösten, um sie einer anderen Frau um den Nacken zu legen. Anmutig hob sie den Kopf, sodass er endlich ihr Gesicht sehen konnte.
Ihm stockte der Atem. Nicht nur, weil sie eine atemberaubende Schönheit war, sondern weil er nach all den Jahren, in denen er von ihr geträumt hatte, in Kaia Bennets Gesicht starrte.
5. KAPITEL
Kaia beobachtete, wie die ersten Gäste in den Saal strömten. Royce hob die Hand und winkte. Sie folgte seinem Blick und sah Casper Nazarios prächtig herausgeputzte Frau alias Tina, die Kleptomanin.
Der Altersunterschied zwischen Casper und seiner Frau war sehr groß. Kaia würde wetten, dass Casper nicht so tolerant gegenüber Tinas kleiner Unart wäre, wenn sie fünfundzwanzig Jahre älter und ihre Schönheit verblüht wäre.
„Die Pflicht ruft“, murmelte Royce und zupfte seine Cowboykrawatte zurecht, bevor er mit ausgebreiteten Armen auf die Gastgeberin zueilte. „Tina!“
Eine Traube von Menschen scharte sich um Mrs Nazario. Sie trug ein halbes Dutzend Armbänder an jedem Handgelenk, einen Ring an jedem Finger und diverse Halsketten – eine davon als Stirnband. Welches Stück wird sie wohl heute Abend stehlen? überlegte Kaia.
Böse Kaia. Tina Nazario stiehlt doch nicht. Sie leiht sich etwas.
Aber was man Tina auch vorwerfen mochte, sie wusste, wie man eine Party schmiss. Immer mehr Leute strömten herein, die Musik war eingängig, und der Barkeeper hatte farbig schillernde „Juwelendrinks“ kreiert: Diamant, Saphir, Smaragd und Rubin, alle serviert mit einem bunten Kandisstick. Wenn Kaia nicht hätte arbeiten müssen, hätte sie sie gern probiert. Leider verlangsamte Alkohol ihre Reflexe, und das konnte sie nicht gebrauchen.
Eine Frau kam auf sie zu. „Was für eine schöne Halskette!“
Ihr Stichwort. „Es sind einhundertzweiunddreißig Karat Aquamarine. Möchten Sie die Kette einmal probieren?“
Während sie sprach, flackerte das Licht. Draußen blitzte es.
„Oh, das ist der Sturm! In den Nachrichten haben sie gezeigt, welche Schäden er bereits weiter im Süden angerichtet hat“, erzählte die potenzielle Käuferin. „Hoffentlich zieht er rasch vorbei.“
Kaia hoffte es auch. Unwetter machten eine Menschenmenge immer unruhig. Das
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